Dienstag, 2. Mai 2023

Wahlen ohne Demokratie

 





Im Oktober 2023 wird in Bayern gewählt. Es ist also Zeit zu überlegen, ob man mitmachen soll oder nicht. Das wiederum hängt davon ab, ob Wahlen heute noch etwas mit Demokratie zu tun haben oder nicht. Der deutsche Großphilosoph Jürgen Habermas sprach schon vor vielen Jahren von einer Fassadendemokratie, also quasi von einem Demokratiehaus, von dem nur noch die Fassade steht, das Inventar usw. aber längst ausgeräumt wurde(Sieg gegen Rechts in Sachsen-Anhalt... ). Wahlen sind das, was auch in autokratischen Staaten des öfteren übrig bleibt, also die Fassade.

Wie weit die deutsche Demokratiewirklichkeit sowieso von einer wirklich volkssouveränen Demokratie entfernt ist, sieht man an diesem Zitat aus dem Buch "Über Volkssouveränität" von Ingeborg Maus: "Was Volkssouveränität von Widerstandsrecht, das sie einmal historisch ablöste, unterscheidet, ist gerade die Tatsache, daß sie sich nicht aus bestehendem Recht oder einer geltenden Verfassung ableitet, sondern der gesamten Rechtsordnung vorausliegt und diese erst begründet. Souveränität bedeutete auch in der Konnotation der »Volkssouveränität« eine legibus-solutus-Position, die die Aufklärungsphilosophie in der Forderung permanenter Verfassungsrevision durch das »Volk« artikulierte und in der Formel erläuterte, daß in dieser Hinsicht nur die Regierung, nicht aber das Volk an die Verfassung gebunden sei"(Hervorhebung durch mich). Die unveräußerlichen Grundrechte des Grundgesetzes und entsprechender Menschenrechte auf europäischer und UN-Ebene binden nach dem Verfassungsjuristen der Französischen Revolution Emanuelle Joseph Sieyes nicht die verfassungsgebende Gewalt (pouvoir constituant), sondern die von der Verfassung gegebene Gewalt (pouvoir constitue´). Während die verfassungsgebende Gewalt »alles kann«, ist die von der Verfassung gegebene Gewalt »Gesetzen, Regeln und Formen unterworfen, über deren Änderungen sie nicht gebieten« kann. In einer solchen volkssouveränen Demokratie ist das Volk selbst Entscheider der letzten Instanz. Es muß jederzeit in den Entscheidungsprozess der Legislative und Exekutive eingreifen und die anstehende Entscheidung an sich ziehen können. Die dafür notwendigen Werkzeuge der direkten Demokratie sind unter anderem Bürger- und Volksentscheide, die jederzeitige Möglichkeit der Abberufung von Abgeordneten, die Ablösung des imperativen Mandats von oben (Fraktionszwang) durch das imperative Mandat von unten und die Auflösung des Parlamentes.

Das Fehlen praktisch aller volkssouveräner Elemente machte die deutsche Demokratie von vornherein zu einer Elitendemokratie nach amerikanischem Vorbild. Die politischen Entscheidungen werden von der politischen Elite getroffen, das Volk ist während der Legislaturperiode passives Publikum. Selbst die Würdigung getroffener Entscheidungen etwa durch Volksentscheide ist ihm entzogen. Dafür ist das elitäre Bundesverfassungsgericht zuständig, das damit an Volkes statt zum Entscheider der letzten Instanz geworden ist. Auf wichtige Funktionssysteme wie Wirtschaft und Wissenschaft kann auch die Elitendemokratie nur begrenzt zugreifen. Das fiel solange kaum auf, wie die Interessen des Volkes durch die Entscheidungen der Elite wenigstens ansatzweise berücksichtigt wurden und solange noch öffentlich grenzenlos darüber diskutiert werden konnte.


Inzwischen haben die Eliten die Meinungsfreiheit vor allem durch Propagandamethoden wie Framing, GasLighting und Nudging auf das ihnen genehme Weltbild beschränkt (Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte). Wer sich dem widersetzt, wird diskriminiert, bis zum Rufmord
verleumdet und ausgegrenzt; denn regierungsamtliche Maßnahmen dürfen, wie das der ehemalige Leiter des RKI Lothar Wieler während der Corona-Fake-Pandemie verkündete, "nicht hinterfragt werden." Moderne Propaganda ist eleganter, fällt weniger auf und ist trotzdem bisher so wirkungsvoll wie die gewalttätige Unterdrückung durch Faschismus und Stalinismus. Zensur, die es auch wieder gibt, wird nicht mehr wie einst durch den Staat angewandt. Sie wurde zumindest vorläufig outgesourct an die mediale Propagandafront, darunter Medienplattformen wie twitter, facebook, tiktok, youtube und andere und damit unsichtbar gemacht. In den traditionellen Medien war schon seit Jahrzehnten von Selbstzensur die Rede ("die Schere im Kopf"). Auch sie ist unsichtbar.

Gleich zu Beginn der Corona-Fake-Pandemie wurden mithilfe des novellierten Infektionsschutzgesetzes zahlreiche Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Das im Jahr 2020 verkündete Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtete Social-Media-Plattformen zur Zensur im Internet. Das noch nicht verabschiedete Demokratieförderungsgesetz wird die offene, pluralistische und vielfältige Gesellschaft weiter eingrenzen. Mit ihm sprechen die Eliten dem Volk endgültig die Fähigkeit zu demokratischer Meinungs- und Entscheidungsbildung ab. Der Bürger wird staatlicherseits zum unmündigen Bürgerkinderchen degradiert, das man beim Meinungsaustausch beaufsichtigen muß wie Kleinkinder beim Spielen in der Kita.
Die gebührenfinanzierten Landesmedienanstalten machen Jagd auf Journalisten und Blogger, die es wagen, das von den Eliten propagierte Weltbild zu kritisieren. Der Bürger hat als gesellschaftliches und staatliches Subjekt ausgedient, er wird zum manipulierbaren Objekt in den Händen der Eliten. 

Viele sprechen schon von einem neuen Faschismus. Davon bin ich wieder abgekommen, weil es in den Köpfen der Bürger -noch- falsche Bilder von staatlicher Gewalt, Unterdrückung und Zensur erzeugt. Die mit der Wirklichkeit besser übereinstimmende Analyse hat der amerikanische Philosoph Sheldon S. Wolin geliefert mit seinem Buch "Umgekehrter Totalitarismus". Die von ihm bereits 2008 geschilderten "faktischen Machtverhältnisse und ihre zerstörerischen Auswirkungen auf die Demokratie" sind inzwischen real zu besichtigen. Die Wirkung ist die gleiche wie bei Faschismus und Stalinismus, es wird eine totalitäre Gesellschaft erzeugt, die bis in die letzten gesellschaftlichen Winkel reicht und nur noch das Weltbild der Eliten zuläßt. Politische Träger dieser totalitären Entwicklung sind diesmal nicht Rechtsparteien wie AFD oder NPD, sondern die "staatstragenden" Parteien, also SPD, Grüne, FDP, Linke, CSU und CDU. Diese Extremisten der Mitte benutzen die -noch- harmlosen Nostalgie-Faschisten lediglich als  Ablenkung von ihrer eigenen totalitären Praxis. Wer sich an Wahlen beteiligt, legitimiert mit seiner Stimmabgabe diese totalitäre Politik und unterstützt sie. Wer eine volkssouveräne Demokratie will, muß den Absturz des US-NATO-Imperiums geduldig abwarten können und bis dahin eine politische Kraft organisieren helfen, die das durchsetzt, sobald es möglich wird. Das kann höchstens noch ein paar Jahrzehnte dauern.





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