Montag, 23. September 2013

Vom grünen Rock´n Roll zum sozialdemokratischen Foxtrott


Es gibt, das weiss selbst ein Tanzmuffel wie ich, keinen langweiligeren Tanz als den Foxtrott. Eben deshalb eignet er sich so gut zur Beschreibung der Performance, die von den Grünen im eben beendeten Wahlkampf geboten wurde. Am Ende einer langen, durch die rotgrüne Regierungszeit beschleunigten Entwicklung, versanken die Grünen, die einst die Republik gerockt hatten, im Foxtrott-Düdeldüdü. Daß es dem Publikum erst in diesem Wahlkampf auffiel, müssen die Grünen ihrem diesmal gewählten Hauptthema „Wir sind so mutig, daß wir Steuern erhöhen wollen“ zuschreiben. Sie haben es damit nicht nur geschafft, eine Forderung unvermittelt und einsam in den virtuellen Wahlkampfraum zu stellen, die man nur im Zusammenhang mit einem Gesamtkonzept erklären kann: warum braucht man Steuererhöhungen, obwohl die deutschen Staatsfinanzen angeblich so gut dastehen wie lange nicht mehr, wofür sollen sie verwendet werden usw.. Wenn es dafür Erklärungen gab, wurden sie nicht ausreichend oder so dargestellt, daß sie niemand verstand. Sie haben es auch fertig gebracht, sich als gewendete FDP zu präsentieren: Während die FDP 2009 für Steuersenkungen plädierte, riefen die Grünen jetzt nach Steuererhöhungen. Großes Bravo, Jürgen Trittin, langweiliger geht´s nimmer.
Mit der Vernachlässigung urgrüner Themen mutierten die Grünen, außer durch ihre Foxtrottisierung, zur dritten sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Es gibt jetzt eine SPD difussionale, die zwar noch weiß, daß sie vor 150 Jahren gegründet wurde, aber nicht mehr so recht warum. Es gibt eine SPD traditionale, auch „Linke“ genannt, deren Mitglieder sich dadurch auszeichnen, daß sie „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ noch immer auswendig singen können. Und es gibt jetzt die SPD verde, die im Augenblick so hilf- und ratlos dasteht wie der Ochs´ vor der läufigen Kuh. Zur Sozialdemokratisierung gehört auch noch die starke Bindung an die SPD diffusionale und die gehorsame Übernahme der dieser Partei eigenen starken Ablehnung der SPD traditionale. Wer bitte braucht drei sozialdemokratische Parteien?
Am politischen Verlauf der Energiewende entscheidet sich, ob die Energiekonzerne weiter  zentralistische Technologien einsetzen und damit ihre gewohnte monopolistische Versorgung verteidigen können. Ober ob dieser ganze gesellschaftlich zentrale Bereich, in den letzten Jahren durch das EEG gut darauf vorbereitet, dezentral und damit bürgernah organisiert werden kann. Es entscheidet sich, ob auch die wichtigste aller Energiearten, das Energiesparen, doch noch eine Chance erhält. Es entscheidet sich, ob die Lobby der Energiekonzerne das Thema weiter auf den Strompreis verengen kann oder ob auch wieder über die dezentrale Reform des EEG und über andere Energieverbräuche wie Heizen und Transportieren geredet werden kann, die sehr viel mehr kosten als das bißchen Strom. Und es entscheidet sich, ob erfolgversprechend über die Überwindung überholter industrieller Technologien auch in anderen Bereichen gesprochen werden kann oder nicht. Aber für die SPD verde waren die Steuererhöhungen wichtiger. Greenpeace hat während der Wahlkampfzeit mehr und entschlossener für eine dezentrale Energiewende gekämpft als die SPD verde.
Die politische Avantgarde, die sich eine kurze Zeit bei den ehemaligen Grünen versammelt hatte, ist weitergezogen. Von der SPD verde aus ist sie höchstens noch mit dem Fernglas am Horizont zu sehen. Sie versucht, Antworten auf die Frage zu finden, wie eine postindustrielle Gesellschaft, manche sprechen auch von einer zu erwartenden „Postkollapsgesellschaft“, organisiert sein könnte. Ihre Themen sind Commons, Commoning, Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsökonomie, steady state economy, solidarische Ökonomie, Urban Gardening und das übrige weite Feld des individuellen und gemeinsamen Selbermachens. Sie diskutiert in ihren eigenen diskursiven Zusammenhängen und experimentiert praktisch in gesellschaftlichen Nischen, in Initiativen wie Oya, Transition Town und Genossenschaften der solidarischen Ökonomie. Adieu, SPD verde.

Die Waffen nieder

  In Bayreuth hat sich bei einem ersten Treffen am 22.03.2024 eine neue Bürgerinitiave gegründet, die sich vorwiegend für Frieden und Demo...