Wie lächerlich das Verhalten
ideologieverseuchter Nationalisten in einer längst multikulturellen
Gesellschaft ist, führen diese „Patrioten“ gerade selbst vor. Sie protestieren
gegen die Kinderfotos von Fußballern auf Schokoladenriegeln, weil einige
abgebildete Nationalspieler mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht blond und
blauäugig, sondern andersfarbig daherkommen. Werden sie nun bei der kommenden
Europameisterschaft jubeln, wenn Götze ein Tor schießt und sich empört
abwenden, wenn es Özil tut?
Die eigentliche Frage ist aber, wie man mit
diesen Ideologiezombies umgehen soll. Man weiß aus Studien, die seit den 1970er
Jahren stetig erneuert werden, daß ein bis zu dreißigprozentiger
Bevölkerungsanteil autoritäre Herrschaftsformen gutheißt. Diese Leute sehnen
sich nach dem omnipotenten Alphaaffen, der sie ins gelobte Land führt, wo Bier
und Schnaps in Strömen fließen und sie jeden Tag ein gegrilltes Spanferkel
serviert bekommen. Die Wähler des FPÖ-Kandidaten bei der österreichischen
Bundespräsidentenwahl waren vorwiegend männlich und ungebildet und stammten
eher vom Land. Emanzipierte Frauen verunsichern sie und sie haben Angst vor
allem, was ihnen fremd ist – männliche Feiglinge. Aber selbst wenn sie
akademisch gebildet sind, versuchen sie ihre Feigheit durch Machogehabe und
ihre Unsicherheit durch das Imitieren autoritärer Verhaltensweisen zu
vertuschen (siehe Höcke). Sie sind mit ihrem ideologischen Fanatismus im Großen
und Ganzen weder diskursfähig noch belehrbar (Die Egoloser).
Wie peinlich selbst Führungspersonen der AFD
auf nicht einschlägig ideologieverseuchte Mitmenschen wirken können, wurde beim
Auftritt von Björn Höcke in Günther Jauchs Talkshow im Oktober 2015 deutlich,
zu der er eine Deutschlandfahne mitbrachte und über die Lehne seines Stuhles
legte: (Er) „hat es tatsächlich geschafft, sich in den ersten Minuten seines
Talkshowbesuchs als Witzfigur zu präsentieren“ (Witzfigur Höcke). Ein kürzlich
veröffentlichtes Pressefoto zeigt ihn mit verfremdetem Hitlergruß und einem Lächeln,
in dem sich Stolz über die zur Schau gestellte Provokation und Unsicherheit mischen.
Bei anderen Gelegenheiten fällt er durch eine Wortwahl auf, die sich an berühmt-berüchtigten
Nazis orientiert. Auf mich wirkt er mit all dem wie ein Politzwerg, der
Rübezahl sein will. Beatrix von Storch kommt mit ihrem Gehabe wie eine
esoterische weltfremde Sektiererin daher, Alexander Gauland outete sich als
verlogener Seriositätsdarsteller, indem er gestand, daß seinesgleichen zwar die
Verteidigung des christlichen Abendlandes behauptet, mit Christentum aber
nichts am Hut hat („Wir sind keine
christliche Partei“). Und mit seinem Dementi in Sachen „BoatengGate“ stellt sich nur
noch eine Frage: Ist er dement oder hat er Alzheimer. Von Frauke Petry weiß man
inzwischen, daß ihr Auftreten gewöhnlich ebenso provokant wie wirr ist.
Die AFD stellt sich gern als Verteidigerin
der Interessen des „kleinen Mannes“ dar. In ihrem Programm aber fordert sie die
Abschaffung des Arbeitslosengeldes, lehnt den Mindestlohn ab, will die Reichen
durch Steuerpolitik noch reicher machen, die Armen noch ärmer und die Zuschüsse
für soziale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Schwimmbäder abbauen: „In Wahrheit macht sie knallharte Klientelpolitik für
Besserverdiener und die Wirtschaftslobby“(
AFD-Politik für
die Reichen). Geliebt wird sie von der Wirtschaftslobby trotzdem nicht:
„Rechtspopulistische Parteien feiern Erfolge in ganz Europa - mit
drastischen Konsequenzen für die Wirtschaft. Investoren haben bereits
Milliarden aus der Union abgezogen. Es droht ein Klima der Angst, das
langfristig die gesamte Währungsunion gefährden kann“(AFD Gefahr für
die Währungsunion). Ergänzt wird dieses wirrköpfige
Programm durch die Verleugnung der menschgemachten
Erderwärmung. Damit katapultiert sich die AFD aus der Wirklichkeit hinaus in
eine sehnsüchtig imaginierte Biedermeierwelt. Mit ihren ständigen Angriffen auf
den Islam und dessen Religionsgemeinschaften verstößt die AFD gemeinsam mit
Pegida gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit. Ein kürzliches
Treffen mit dem Zentralrat der Muslime offenbarte auch nur, daß die AFD nicht
diskursfähig ist (AFD bricht
Gespräch ab). Die Politik der AFD ist realitätsfremd, basiert
auf ideologischem Fanatismus, richtet sich gegen ihre eigene Klientel und ihre
Führung besteht aus Witzfiguren.
Es liegt also
nicht an der politischen oder gar intellektuellen Attraktivität der AFD
und/oder ihrer Führungsfiguren, daß sie zurzeit zweistellige Wahlergebnisse
erzielt. Ursächlich dafür ist zum Einen die politisch-geistige Blindheit derer,
die jedem reaktionären Alphaaffen hinterher laufen würden. Zum anderen ist es
die Vehemenz, mit der VertreterInnen der „staatstragenden“ Parteien die antifaschistischen
Tabus der Vergangenheit beiseite räumten und damit der AFD den Weg in die Mitte
der Gesellschaft öffneten. Heiner Geißler hat das sehr schön ausgedrückt: "Seehofer war Stichwortgeber für die AfD"
(Seehofer Stichwortgeber für AFD). Aber nicht
nur Seehofer, auch andere Prominente der Union (Markus Söder, Thomas de
Maiziere, Erika Steinbach,…..) und der SPD (Thilo Sarrazin,….) haben mit ihren
Aussagen und/oder ihrer Politik die AFD salonfähig gemacht
Zum dritten ist es die offensichtliche Unfähigkeit der Mitteparteien, mit den Problemen dieser Welt sozial und ökologisch gerecht fertig zu werden. Es war kein Kanzler der AFD, der die Hartz-Reformen durchführte, sondern der Kanzler der deutschen Sozialdemokratie, Gerhard Schröder. Geholfen hat ihm nicht die AFD, sondern die Partei der Grünen. Hartz IV brachte Deutschland einen Niedriglohnsektor, die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeitsplätze, eine explosive Vermehrung von Leiharbeit und Werkverträgen, Diskriminierung von Arbeitsplatzsuchenden und vermehrte Armut, besonders von Kindern und Alleinerziehenden. Die Profitrate deutscher Unternehmen dagegen verbesserte sich rapide und die Exportquote schoss ebenfalls nach oben. Dies wiederum und die brutal durchgesetzte neoliberale Austeritätspolitik verwüstet die ökonomischen und sozialen Gegebenheiten in den restlichen EU-Staaten. Seit der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Wirtschaftsminister ist, werden die Rüstungsexporte nicht weniger, sondern mehr. Mit der Unterstützung der Freihandelsabkommen TTIP und CETA stellen sich Sigmar Gabriel und die Kanzlerin Angela Merkel gegen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Mit den geheimen Verhandlungen darüber sprechen sie der eigenen Bevölkerung das Misstrauen aus und verwirklichen genau das Gegenteil von dem, was einst Willy Brandt versprach: „Keine Demokratie für niemand“ statt „Mehr Demokratie wagen“. Während sie von Frieden und Zusammenarbeit der Völker schwadronieren, verwandeln sie Deutschland in eine kriegerisch-imperiale Mittelmacht: Militärische Interventionskriege im Gefolge der USA statt Entwicklungshilfe. Auch das will die Bevölkerungsmehrheit nicht. Die laufende Klimakrise wird nicht konsequent bekämpft, sondern durch einschränkende Beschlüsse gegen den Einsatz erneuerbarer Energien befeuert. Ihre Sanktionen gegen Russland, seine militärische Umkreisung durch die NATO und der Versuch, Russland ökonomisch und politisch zu isolieren, katapultieren Deutschland und die Welt gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit zurück in Kalte-Kriegs-Zeiten. Sie nennen ihre Status-Quo-Politik alternativlos. Mit der Metapher von der marktkonformen Demokratie sagte die Kanzlerin Angela Merkel unverblümt, was sie wirklich will: die Dominanz des internationalen Kapitals über Politik und Demokratie. Zusammen mit ihren imperialen NATO-Verbündeten steuern sie Deutschland und die Welt immer tiefer in eine globale Zivilisationskrise. So wie sie es vor 1933 schon einmal taten. Auch damals waren es die Weimarer Mitteparteien, inklusive der SPD, die mit den damaligen Herausforderungen nicht fertig wurden und zum Schluss mit Hitler die Faschisten an die Macht brachten.
Von der AFD wissen wir seit ihrem
Programm-Parteitag, daß sie diese verheerende Politik nicht ändern, sondern nur
um eine irrsinnige nationalistische Ausrichtung ergänzen würde. Dagegen muß man
natürlich kämpfen mit allen, die dabei helfen wollen. Aber die eigentliche
Aufgabe ist es, die asoziale Politik der Mitteparteien mit einer glaubwürdigen
linken Alternative zu konfrontieren. Die deutsche Sozialdemokratie ist dafür
nicht mehr zu gebrauchen. Sie hat nicht nur während der Weimarer Republik,
sondern auch seit 1968 immer wieder gezeigt, daß sie mit außerparlamentarischen
sozialen Bewegungen nichts am Hut hat, sie höchstens für ihre eigenen parlamentarischen
Machtinteressen zu missbrauchen sucht. Die bedeutenste außerparlamentarische
soziale Bewegung der Weimarer Republik, die Arbeiter- und Soldatenräte, hat sie
gar durch das reaktionäre Freikorps kaputtschlagen und ermorden lassen. Gerade
im außerparlamentarischen Bereich gibt es aber überaus interessante, spannende
und kreative Entwicklungen. Auf ihnen kann man eine politische, ökonomische und
soziale Alternative zum neoliberalen Kapitalismus der Mitteparteien aufbauen.
Das von vielen jetzt wieder propagierte parlamentarische „Bündnis der
Demokraten“ gegen Rechtsextremismus und Faschismus würde an der alten
verbrauchten Politik der Mitteparteien nichts ändern und deshalb nur immer
tiefer in die Zivilisationskrise führen.
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