Montag, 13. Februar 2012

Rettet Europa – schmeisst Deutschland raus


Europa retten, indem man den stärksten wirtschaftlichen Akteur rausschmeißt? Eigentlich wird es eher als sinnvoll angesehen, die Schwächsten zum Verlassen der Eurozone zu drängen, zurzeit mal wieder ganz dringend Griechenland. Als nächstes kämen dann Portugal, Irland, Spanien und Italien dran. Aber schon die Nennung dieser Reihe führt zu der Frage, was von Europa noch übrig bleibt, wenn diese europäischen Kernländer die Eurozone verlassen müssen. Und das macht wiederum die Frage interessant, ob es nicht sinnvoller wäre, nur den einen, wenn auch stärksten Akteur zum Verlassen der Eurozone zu drängen; denn es ist vor allem Deutschland, das die Krise der EU nicht lindert, sondern anheizt.
Die gegenwärtige Lage kann man nur als trostlos bezeichnen. In Griechenland ist nach nur einem Jahr Spardiktat eingetreten, wovor viele politische und wirtschaftswissenschaftliche Akteure von Anfang an warnten. Die griechische Volkswirtschaft wurde noch tiefer in die Rezession gestossen, die Insolvenzen nehmen zu, die griechischen Unternehmen fallen im globalen Wettbewerb noch weiter zurück, die private und staatliche Schuldenlast wird nicht weniger, sondern mehr. Arbeitslos sind fast 1 Million Griechen, was einer Arbeitslosigkeitsquote von 20 % entspricht, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 43 % . Die griechische Bevölkerung verarmt. In den anderen Krisenländern sieht es nicht viel besser aus.
In Griechenland und Italien regieren nicht gewählte Technokraten. In Griechenland wurden sie eingesetzt, als der sozialistische Regierungschef versuchte, den griechischen Souverän zu befragen, wie es weitergehen soll - zu viel Demokratie für Merkels „marktkonforme Demokratie“. Europa schaut untätig zu, wie in Ungarn eine totalitäre Regierung Volkswirtschaft und Demokratie ruiniert. Die europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik wird von den Regierungen Deutschlands und, in deutscher Gefolgschaft, Frankreichs diktiert, das europäische Parlament wurde zum Zuschauer degradiert. Mit Ausnahme Grossbritanniens haben die Parlamente der EU-Länder ihre wirtschaftliche Souveränität mehr oder weniger eingebüß, weil ihre Regierungen eine von Deutschland verordnete Schuldenbremse und verschiedene andere Massnahmen akzeptieren, ohne dafür auf europäischer Ebene grössere parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeiten erreicht zu haben.
„Die deutsche Exportindustrie hat im vergangenen Jahr“, berichtet die Süddeutsche Zeitung am 9.2.2012, „erstmals die Umsatzmarke von einer Billion Euro geknackt.“ Das liegt nicht nur an der marktgerechten exzellenten Qualität deutscher Produkte. In Deutschland sanken, anders als in den restlichen EU-Staaten, in den letzten Jahren die Lohnstückkosten, weil sich die schwachen, sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaften bei Lohnforderungen zurückhielten oder nicht durchsetzen konnten. Die rot-grüne Agenda 2010 verschaffte den Unternehmen zusätzliche Wettbewerbsvorteile, ebenfalls auf Kosten der deutschen Lohnabhängigen. Mit der Einführung des Euro wurden die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen in den EU-Ländern zementiert, der Ausgleich der Handelsungleichheiten über Währungsanpassungen war im Euro-Raum fortan versperrt. Die Starken, allen voran Deutschland, wurden immer stärker, die Schwachen immer schwächer. 
Die schwarzgelbe deutsche Regierung tut alles, um diese zentrifugal wirkenden Dynamiken aufrecht zu erhalten. Sie setzt ausserdem einseitig auf eine Politik der Schuldenverringerung, die Einnahmen der Reichen, Superreichen, Zocker und Finanzjongleure lässt sie unangetastet, belastet mit den Schuldenkosten werden nur die sozial Schwachen und die Lohnabhängigen. Damit erhöht sie die sozialen Spannungen und macht Europa zum Armenhaus.
Die grosse Zahl der anderen EU-Länder, einschliesslich Frankreich und Italien, wäre dagegen bereit, auf eine derart rigide Austeritätspolitik zu verzichten, den Abbau der staatlichen Schulden so zu strecken, dass dabei die Volkswirtschaften nicht ruiniert werden. Sie werden fast nur von Deutschland davon abgehalten, die Europäische Zentralbank zur Abwehr der Spekulanten einzusetzen, die nach wie vor versuchen, mit spekulativen Angriffen auf einzelne Länder die Zinsen und damit ihre eigenen Profite in die Höhe zu treiben. Aber nur, wenn man die Finanzmärkte aus dem Spiel drängt, indem man die Spekulationen mit den Staatsanleihen durch den Einsatz der EZB unmöglich macht, gewinnt man Spielraum für weitere notwendige Massnahmen: Einführung einer Finanztransaktionssteuer, Verbot schädlicher Finanzprodukte wie CDS, ungedeckte Leerverkäufe, Hedgefonds und die Neustrukturierung des Bankensektors, damit Grossbanken nie mehr die Staaten erpressen können. Insgesamt muss es darum gehen, die chaotische Macht der Finanzmärkte zu brechen.
Bleibt der Euro erhalten und schert nur Deutschland aus, wird auch nur Deutschland gezwungen sein, seine neu-alte Währung anzupassen. Eine für diesen Fall von vielen Volkswirtschaftlern prognostizierte Erhöhung des Wertes einer deutschen Währung um etwa 40 % würde die Wettbewerbssituation der verbleibenden Euroländer sofort verbessern. Der deutsche Importdruck würde verringert, ihre eigenen Unternehmen würden nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf den Exportmärkten wieder wettbewerbsfähiger. Auch die Schuldenproblematik würde dadurch viel von ihrem Druck verlieren. Die verbleibenden Euroländer würden alles in allem gewinnen, Deutschland verlieren. Natürlich wäre es sehr viel besser, wenn sich Deutschland auf die oben skizzierte andere Politik einlassen würde. Ansonsten gilt: Wer die Singvögel retten will, muss den Jungkuckuck aus dem Nest werfen.

Die Waffen nieder

  In Bayreuth hat sich bei einem ersten Treffen am 22.03.2024 eine neue Bürgerinitiave gegründet, die sich vorwiegend für Frieden und Demo...