Montag, 10. April 2017

Pulse of Europe - oh wie schön ist Europa


Von welchem Geist Pulse of Europe durchweht wird, verdeutlichte eine Teilnehmerin der Bayreuther Jubelveranstaltung: „„Europa ist das Größte für mich“, ruft die Frau ins Mikrofon. „Wir müssen schauen, dass wir uns das erhalten.““ Begründen tut sie es damit, daß ihre Kinder jetzt im Ausland studieren können und mit den „privaten Kontakten, die ohne die EU nicht zustande gekommen wären“. Das ist eine private Sicht der Dinge, gegen die man nichts sagen kann. Politisch ist sie so gehaltvoll wie der Ausruf „Oh, wie schön ist Panama“ in der gleichnamigen Kindergeschichte von Janosch.

„Oh, wie schön ist Europa“ würde auch als Titel der Website von „Pulse of Europe“ taugen. Sie zeichnet völlig kritiklos ein Positivbild von einem »vereinten, demokratischen Europa«, in dem angeblich »die Achtung der Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens« sind. Dieses naive, esoterisch angehauchte „Think positive“ wird auch von Soziologen kritisiert, wie man leicht auf Wikipedia erfahren kann: „Der Soziologe Simon Teure vom Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung wurde am 17. März in der Zeitung Neues Deutschland dahingehend zitiert, dass die Proteste „vor allem jene Menschen an[sprechen], die vom Status-Quo-Europa profitieren: international Orientierte, besser Gebildete und besser Verdienende.“ Eine „Europa-Euphorie überblende[t]“ die strukturellen Probleme Europas, wie beispielsweise „die fehlende sozialpolitische Orientierung, die Hilflosigkeit gegenüber den autoritären Entwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten und die Abschottung nach außen“.[35] Der Berliner Soziologe Dieter Rucht sieht „die Ziele zu pauschal formuliert“, die „Forderungen zu abstrakt.““

Der Kritik an der EU begegnet Pulse of Europe also nicht mit Lösungsvorschlägen. Die Initiative derer, die vom europäischen Status Quo profitieren, versucht diese Kritik mit lauten Hosianna-Rufen an die Adresse der Herrscher dieses Status Quo zu übertönen.  Also an die Adresse derer, die mit ihrer neoliberalen, von Deutschland forcierten Austeritypolitik die griechische Wirtschaft ruiniert, Millionen EuropäerInnen aus ihrer Heimat vertrieben, Arbeitslosigkeit und Armut in Spanien, Portugal und anderen Staaten verursacht und selbst Gründungsstaaten wie Italien und Frankreich wirtschaftlich chaotische Zustände verschafft haben. Erst deren rückhaltlose politische Unterstützung der sozial brutalen Profitmaximierung durch die großen Konzerne aber hat die faschistischen oder faschistoiden Parteien in vielen europäischen Staaten groß gemacht. Jetzt versucht Pulse of Europe, die Wut der Menschen abzulenken von den verantwortlichen etablierten Herren Europas, indem sie diese faschistischen Parteien zum Sündenbock macht. Haltet den Dieb, ruft der Helfer der Diebe.

Die Europäische Union sei »in erster Linie ein Bündnis zur Sicherung des Friedens«, schreibt Pulse of Europe weiter. Neuerdings hört man aber viel darüber, daß Europa militärisch aufrüsten muss, um in der Welt bestehen zu können. Es ist bereits beschlossen, eine europäische Armee aufzubauen. Europäische Staaten, darunter Deutschland, Polen, Frankreich und Großbritannien, sind in zahlreiche militärische Interventionen in der ganzen Welt verwickelt. Auch das soll zukünftig von einer EU-Armee übernommen werden. Europa mordet, wo es Frieden sichern und Entwicklung unterstützen müsste, siehe Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan usw. Die militärische Aufrüstung ist auch dazu gedacht, die Festung Europa noch wehrhafter zu machen als sie schon ist. Schon heute tötet Europa zehntausende Menschen, die aus ihren kaputten elenden Lebensumständen nach Europa zu fliehen versuchen, indem sie sie im Mittelmeer ersaufen läßt. Pulse of Europe sagt weder dazu etwas noch macht die Initiative konkrete Vorschläge, wie das zu ändern wäre. Stattdessen huldigen die Biedermänner den Brandstiftern.

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