Von
welchem Geist Pulse of Europe durchweht wird, verdeutlichte eine Teilnehmerin
der Bayreuther Jubelveranstaltung: „„Europa ist das Größte für mich“, ruft die
Frau ins Mikrofon. „Wir müssen schauen, dass wir uns das erhalten.““ Begründen
tut sie es damit, daß ihre Kinder jetzt im Ausland studieren können und mit den
„privaten Kontakten, die ohne die EU nicht zustande gekommen wären“. Das ist
eine private Sicht der Dinge, gegen die man nichts sagen kann. Politisch ist
sie so gehaltvoll wie der Ausruf „Oh, wie schön ist Panama“ in der
gleichnamigen Kindergeschichte von Janosch.
„Oh,
wie schön ist Europa“ würde auch als Titel der Website von „Pulse of Europe“
taugen. Sie zeichnet völlig kritiklos ein Positivbild von einem »vereinten,
demokratischen Europa«, in dem angeblich »die Achtung der Menschenwürde, die
Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des
Gemeinwesens« sind. Dieses naive, esoterisch angehauchte „Think positive“ wird
auch von Soziologen kritisiert, wie man leicht auf Wikipedia erfahren kann: „Der
Soziologe Simon Teure vom Berliner Institut für Protest- und
Bewegungsforschung wurde am 17. März in der Zeitung Neues
Deutschland dahingehend zitiert, dass die Proteste „vor allem jene Menschen
an[sprechen], die vom Status-Quo-Europa profitieren: international Orientierte,
besser Gebildete und besser Verdienende.“ Eine „Europa-Euphorie überblende[t]“
die strukturellen Probleme Europas, wie beispielsweise „die fehlende
sozialpolitische Orientierung, die Hilflosigkeit gegenüber den autoritären
Entwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten und die Abschottung nach außen“.[35] Der Berliner
Soziologe Dieter
Rucht
sieht „die Ziele zu pauschal formuliert“, die „Forderungen zu abstrakt.““
Der
Kritik an der EU begegnet Pulse of Europe also nicht mit Lösungsvorschlägen. Die
Initiative derer, die vom europäischen Status Quo profitieren, versucht diese
Kritik mit lauten Hosianna-Rufen an die Adresse der Herrscher dieses Status Quo
zu übertönen. Also an die Adresse derer,
die mit ihrer neoliberalen, von Deutschland forcierten Austeritypolitik die
griechische Wirtschaft ruiniert, Millionen EuropäerInnen aus ihrer Heimat
vertrieben, Arbeitslosigkeit und Armut in Spanien, Portugal und anderen Staaten
verursacht und selbst Gründungsstaaten wie Italien und Frankreich
wirtschaftlich chaotische Zustände verschafft haben. Erst deren rückhaltlose
politische Unterstützung der sozial brutalen Profitmaximierung durch die großen
Konzerne aber hat die faschistischen oder faschistoiden Parteien in vielen
europäischen Staaten groß gemacht. Jetzt versucht Pulse of Europe, die Wut der
Menschen abzulenken von den verantwortlichen etablierten Herren Europas, indem
sie diese faschistischen Parteien zum Sündenbock macht. Haltet den Dieb, ruft
der Helfer der Diebe.
Die
Europäische Union sei »in erster Linie ein Bündnis zur Sicherung des Friedens«,
schreibt Pulse of Europe weiter. Neuerdings hört man aber viel darüber, daß
Europa militärisch aufrüsten muss, um in der Welt bestehen zu können. Es ist
bereits beschlossen, eine europäische Armee aufzubauen. Europäische Staaten,
darunter Deutschland, Polen, Frankreich und Großbritannien, sind in zahlreiche
militärische Interventionen in der ganzen Welt verwickelt. Auch das soll
zukünftig von einer EU-Armee übernommen werden. Europa mordet, wo es Frieden
sichern und Entwicklung unterstützen müsste, siehe Irak, Syrien, Libyen,
Afghanistan usw. Die militärische Aufrüstung ist auch dazu gedacht, die Festung
Europa noch wehrhafter zu machen als sie schon ist. Schon heute tötet Europa
zehntausende Menschen, die aus ihren kaputten elenden Lebensumständen nach
Europa zu fliehen versuchen, indem sie sie im Mittelmeer ersaufen läßt. Pulse
of Europe sagt weder dazu etwas noch macht die Initiative konkrete Vorschläge,
wie das zu ändern wäre. Stattdessen huldigen die Biedermänner den
Brandstiftern.
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