Mittwoch, 24. Juni 2020

Lockdown forever




Ich bin ja wie viele, darunter auch viele Expert*innen der Meinung, daß der Lockdown in dieser Form unnötig war (Achtung Verschwörungstheorie!). Andererseits hat er uns mächtig viel gelehrt. Gelernt haben alle, die lernbereit sind, vor allem, daß es halt doch Alternativen zum gewohnten Leben, Arbeiten und Wirtschaften gibt. Nicht alles, was getan und produziert wird, ist notwendig. Die Kanzlerin mit ihrem Verdikt, wonach es keine Alternativen zu unseren gewohnten Verhältnissen gibt, das berühmte TINA-Prinzip, hat unrecht.

Systemrelevant

Gelernt haben wir auch, daß wir zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Tätigkeiten, zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Wirtschaftsbereichen unterscheiden können. Systemrelevante Tätigkeitsfelder sind in Bayern Energie und Wasserversorgung, Lebensmittelversorgung/Lebens-mittelhandel, Drogeriehandel/Hygieneversorgung, Informations- und Telekommunikation, Post, Gesundheit (Ärzte, Therapeuten, Pfleger, Apotheker, Labore, Pharmaindustrie, Tierärzte), Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Seelsorger, Krisenberatung, Krisenintervention, Transport und Verkehr, Logistik und öffentlicher Nahverkehr, Finanzwesen und Versicherungswesen, Medien und Kultur,Staat und Verwaltung, Polizei, Katastrophenschutz, Not- und Entstörungsdienste (z. B. Schlüsseldienst, Bestatter, Aufzugsdienst, Gas-, Wasser-, Heizung, usw.), Bundeswehr, Entsorgungsindustrie, Abfallwirtschaft, Schulen, Kita, Notbetreuung. Wer es genau wissen will: Systemrelevante Berufe nach Bundesländern. Das eine oder andere an diesen Tätigkeiten wäre sicher noch optimierbar oder reduzierbar.

Nicht systemrelevant

Nicht systemrelevant sind, im Umkehrschluß, Autoindustrie und die ganze Autofahrerei, Chemieindustrie, Flugzeugindustrie und die ganze Fliegerei, Bauindustrie, Tourismusindustrie, Schwerindustrie, Elektroindustrie, Agrarindustrie, Maschinenbau, Schiffbauindustrie und die ganze Kreuzfahrerei, Unterhaltungsindustrie. Die Liste ist einerseits sicher nicht vollständig, andererseits kann man das, was in diesen Industriebereichen produziert wird, bestimmt nicht vollständig weglassen. Man kann es aber sicherlich reduzieren, wenn man nicht mehr in Massen, also industriell produziert. Die Alternative ist, in Zukunft nur noch qualitiativ hochwertige, also vor allem langlebige und reparaturfähige Produkte zu produzieren. Dann kann man sie auch handwerklich herstellen. Und ob sie wirklich notwendig sind, müßte die Gesellschaft demokratisch entscheiden. Das könnte, wenn endlich jedem die ökologischen Konsequenzen der Verschwendungsökonomie bewußt geworden sind, die Zahl der als notwendig erachteten Produkte drastisch reduzieren.

Lockdown und Degrowth

Irgendwie erinnert mich das alles, was ich jetzt zum Lockdown aufgeschrieben habe, sehr an degrowth. Man könnte degrowth glatt in lockdown umbenennen. Es geht immer darum, was wirklich notwendig und sozial und ökologisch verträglich ist. Die heutige kapitalistische Industriezivilisation ist es nicht, die Industrieländer verbrauchen soviel, daß die Menschheit drei bis 5 Erden bräuchte, wenn alle soviel verbrauchen würden. Corona ist auch deshalb viral geworden, weil die industrielle Landwirtschaft bis in die letzten bisher unberührten Regionen dieses Planeten vordringt. Ums Arbeiten muß man sich in einer nichtkapitalistischen Welt keine Sorgen machen; denn wo kein Profit für habgierige Reiche und Superreiche erwirtschaftet werden muß, braucht man nur noch soviel arbeiten, wie für die Herstellung der notwendigen Dienstleistungen und Produkte nötig ist. Wie das funktioniert, können wir bei den indigenen Völkern lernen. Die beherrschen das seit tausenden von Jahren und leben dabei in der Regel nicht schlecht – siehe z.B. das Buch „Staatsfeinde“ von Pierre Clastres. Vom Ökosozialistischen Netzwerk ist gezielt zur Coronakrise eine längere Abhandlung erschienen: „Den Kapitalismus retten oder unseren Planeten“? Besonders empfehlen möchte ich die „Eckpunkte eines Umbauprogramms für eine ökologische Zukunft und die Sicherung von Arbeitsplätzen“ ab Seite 21.



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