Es gibt, das weiss selbst ein Tanzmuffel wie ich, keinen
langweiligeren Tanz als den Foxtrott. Eben deshalb eignet er sich so gut zur
Beschreibung der Performance, die von den Grünen im eben beendeten Wahlkampf
geboten wurde. Am Ende einer langen, durch die rotgrüne Regierungszeit
beschleunigten Entwicklung, versanken die Grünen, die einst die Republik
gerockt hatten, im Foxtrott-Düdeldüdü. Daß es dem Publikum erst in diesem
Wahlkampf auffiel, müssen die Grünen ihrem diesmal gewählten Hauptthema „Wir
sind so mutig, daß wir Steuern erhöhen wollen“ zuschreiben. Sie haben es damit
nicht nur geschafft, eine Forderung unvermittelt und einsam in den virtuellen
Wahlkampfraum zu stellen, die man nur im Zusammenhang mit einem Gesamtkonzept
erklären kann: warum braucht man Steuererhöhungen, obwohl die deutschen
Staatsfinanzen angeblich so gut dastehen wie lange nicht mehr, wofür sollen sie
verwendet werden usw.. Wenn es dafür Erklärungen gab, wurden sie nicht
ausreichend oder so dargestellt, daß sie niemand verstand. Sie haben es auch
fertig gebracht, sich als gewendete FDP zu präsentieren: Während die FDP 2009
für Steuersenkungen plädierte, riefen die Grünen jetzt nach Steuererhöhungen.
Großes Bravo, Jürgen Trittin, langweiliger geht´s nimmer.
Mit der Vernachlässigung urgrüner Themen mutierten die
Grünen, außer durch ihre Foxtrottisierung, zur dritten sozialdemokratischen
Partei Deutschlands. Es gibt jetzt eine SPD difussionale, die zwar noch weiß,
daß sie vor 150 Jahren gegründet wurde, aber nicht mehr so recht warum. Es gibt
eine SPD traditionale, auch „Linke“ genannt, deren Mitglieder sich dadurch
auszeichnen, daß sie „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ noch immer auswendig
singen können. Und es gibt jetzt die SPD verde, die im Augenblick so hilf- und
ratlos dasteht wie der Ochs´ vor der läufigen Kuh. Zur Sozialdemokratisierung
gehört auch noch die starke Bindung an die SPD diffusionale und die gehorsame Übernahme
der dieser Partei eigenen starken Ablehnung der SPD traditionale. Wer bitte
braucht drei sozialdemokratische Parteien?
Am politischen Verlauf der Energiewende entscheidet sich,
ob die Energiekonzerne weiter
zentralistische Technologien einsetzen und damit ihre gewohnte
monopolistische Versorgung verteidigen können. Ober ob dieser ganze gesellschaftlich
zentrale Bereich, in den letzten Jahren durch das EEG gut darauf vorbereitet,
dezentral und damit bürgernah organisiert werden kann. Es entscheidet sich, ob
auch die wichtigste aller Energiearten, das Energiesparen, doch noch eine
Chance erhält. Es entscheidet sich, ob die Lobby der Energiekonzerne das Thema
weiter auf den Strompreis verengen kann oder ob auch wieder über die dezentrale
Reform des EEG und über andere Energieverbräuche wie Heizen und Transportieren
geredet werden kann, die sehr viel mehr kosten als das bißchen Strom. Und es
entscheidet sich, ob erfolgversprechend über die Überwindung überholter
industrieller Technologien auch in anderen Bereichen gesprochen werden kann
oder nicht. Aber für die SPD verde waren die Steuererhöhungen wichtiger.
Greenpeace hat während der Wahlkampfzeit mehr und entschlossener für eine
dezentrale Energiewende gekämpft als die SPD verde.
Die politische Avantgarde, die sich eine kurze Zeit bei den
ehemaligen Grünen versammelt hatte, ist weitergezogen. Von der SPD verde aus
ist sie höchstens noch mit dem Fernglas am Horizont zu sehen. Sie versucht,
Antworten auf die Frage zu finden, wie eine postindustrielle Gesellschaft,
manche sprechen auch von einer zu erwartenden „Postkollapsgesellschaft“,
organisiert sein könnte. Ihre Themen sind Commons, Commoning,
Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsökonomie, steady state economy, solidarische
Ökonomie, Urban Gardening und das übrige weite Feld des individuellen und
gemeinsamen Selbermachens. Sie diskutiert in ihren eigenen diskursiven
Zusammenhängen und experimentiert praktisch in gesellschaftlichen Nischen, in
Initiativen wie Oya, Transition Town und Genossenschaften der solidarischen
Ökonomie. Adieu, SPD verde.