Dienstag, 28. Juni 2016

Der Tod der EU ist eine Ossie.


„Europa-Politiker einig: „Cameron ist der Schuldige““, lautet die Schlagzeile über den Berichten des t-online-Portals zum Mehrheitsbeschluss der britischen Bevölkerung, aus der EU auszutreten; denn „er hätte das Referendum nie ansetzen dürfen“. Ähnliches hörte man, als der damalige griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou es 2011 wagte, einen Volksentscheid ansetzen zu wollen, als es darum ging, die Austeritätspolitik der EU zu akzeptieren oder nicht. Er wurde aus dem Amt gejagt. Auch der heutige Ministerpräsident Alexis Tsipras bekam die ganze Wut der deutschen EU-Herrscher zu spüren, als er einen Volksentscheid mit ähnlicher Thematik durchsetzte und gewann. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble verwandelten ihn in einen griechischen Vasallen ihrer nationalistischen Europapolitik. Dies alles und das Geschehen um CETA und TTIP haben mich dazu gebracht, vom entschiedenen Befürworter der EU zum entschiedenen Gegner dieser EU zu werden. Noch 2012 betitelte ich einen Blogeintrag mit „Rettet die EU: Schmeißt Deutschland raus“. Heute, nach dem erfolgreichen Brexit-Beschluß der Briten, sage ich: „Macht ein, zwei, viele Volksentscheide gegen diese neoliberale EU“; denn Deutschland will oder kann anscheinend niemand rausschmeißen.

Die Gründe sind immer noch die gleichen, die ich 2012 nannte. Hinzu gekommen ist das rapide Wachstum von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien in den Ländern, in denen keine überzeugende inke Alternative existiert oder die Linke aus verschiedenen Gründen diskreditiert ist: Ungarn, Österreich, Polen, Niederlande, Griechenland, Frankreich und Deutschland. Der neoliberale Kapitalismus verwandelt weite Teile der EU in ein Armenhaus, vergrößert die soziale Ungleichheit selbst im reichen Deutschland, schürt Hass und Unfrieden zwischen europäischen Völkern und führt Europa unter Führung der USA zurück in einen gefährlichen Kalten Krieg mit Russland. Die Hoffnung, die EU sei ein Garant für Frieden und Wohlstand, wird zum Grauen vor einer hässlichen Wirklichkeit.

Diese Verwandlung ist das Werk einer neoliberalen Elite unter Führung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Was ihre „marktkonforme Demokratie“ wirklich bedeutet, wurde uns während der Wirtschaftskrise 2008/2009 vorgeführt. Der Bundestag war nur noch Statist und Claqueur. Gefunden wurden die Entscheidungen, die er am Ende absegnen durfte, im Dialog der Regierung mit der ökonomischen Elite, vor allem den Banken und der Vertreter der Reichen und Superreichen. Mit CETA und TTIP verfährt diese Elite genauso. Die Abkommen werden im Dialog der EU-Bürokratie mit den transnationalen Konzernen entwickelt. Und weil sich die europäische Verwaltung inzwischen in einen feudalistischen Bastard verwandelt hat, droht sie jetzt, sie aus eigener Machtvollkommenheit in Kraft zu setzen: „l´etat c´est moi“. Weil der Widerstand der europäischen Bevölkerung immer größer wird. Die Rechtfertigung für dieses Verhalten liefert der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck: "Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem". Es ist halt immer der tumbe Tor, der ausspricht, was die intelligenten Gauner nur im Stillen denken.

So verwandelt sich denn Angela Merkel von der glorreichen Herrscherin Europas in den europäischen Super-GAU. Dabei haben sie selbst ihre Kanzlervorgänger, allen voran Helmut Kohl, vor ihrer nationalistischen Europapolitik gewarnt. Sie hat sie trotzdem fortgesetzt und Europa dem Diktat der ökonomischen Interessen der deutschen Wirtschaft unterworfen. Durchsetzen konnte sie das, weil das wiedervereinigte Deutschland seine ökonomische Dominanz noch potenzieren konnte. Mitterand und Thatcher hatten Recht, als sie diese Wiedervereinigung verhindern wollten. Und ich bin überzeugt, daß die Wurzeln für ihre neoliberale  und nationalistische Obsession in ihrer ostdeutschen Vergangenheit zu finden sind. Eine Ossie zur Kanzlerin zu machen, war vielleicht doch keine gute Idee.
Wer ein demokratisches, sozial und ökologisch wohlgestaltetes Europa will, muß alle europäischen Verträge in die Tonne treten, die in der neoliberalen Ära vereinbart wurden, insbesondere die von Maastricht und Lissabon, dazu auch den EURO. Er muß die europäische höhere Bürokratie komplett austauschen, weil die jetzige ihre neoliberale Ideologie kaum aufgeben wird. Er muß die 20000 Lobbyisten aus Brüssel verjagen, die dort die kapitalistischen Interessen ihrer Unternehmen knallhart vertreten. Oder er muß der Bürokratie jeden Kontakt mit ihnen verbieten, der über eine öffentliche Anhörung hinausgeht. Und er muß den heutigen feudalistischen Bastard EU zu einer wirklichen Demokratie umorganisieren: volle parlamentarische Rechte für das Parlament der EU, Wahl und Kontrolle einer europäischen Regierung durch dieses Parlament. Die Nationalstaaten dürfen dann nur noch die Rolle spielen, die heute die Bundesländer in der BRD innehaben. Wahrscheinlich ist es einfacher, die bestehende EU vollständig in die Tonne zu treten und ein vereintes Europa neu zu gründen. Klingt nach Utopie? Ist auch eine. Aber eine konkrete, weil die Voraussetzungen für ihre Realisierung in der Wirklichkeit vorhanden sind. Man braucht bloß die Macht dazu. Die kommt aus den Wahlurnen. Oder auch nicht.

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