„Europa-Politiker
einig: „Cameron ist der Schuldige““, lautet die Schlagzeile über den Berichten
des t-online-Portals zum Mehrheitsbeschluss der britischen Bevölkerung, aus der
EU auszutreten; denn „er hätte das Referendum nie ansetzen dürfen“. Ähnliches
hörte man, als der damalige griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou es
2011 wagte, einen Volksentscheid ansetzen zu wollen, als es darum ging, die
Austeritätspolitik der EU zu akzeptieren oder nicht. Er wurde aus dem Amt
gejagt. Auch der heutige Ministerpräsident Alexis Tsipras bekam die ganze Wut
der deutschen EU-Herrscher zu spüren, als er einen Volksentscheid mit ähnlicher
Thematik durchsetzte und gewann. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble
verwandelten ihn in einen griechischen Vasallen ihrer nationalistischen
Europapolitik. Dies alles und das Geschehen um CETA und TTIP haben mich dazu
gebracht, vom entschiedenen Befürworter der EU zum entschiedenen Gegner dieser
EU zu werden. Noch 2012 betitelte ich einen Blogeintrag mit „Rettet die EU: Schmeißt Deutschland
raus“. Heute, nach
dem erfolgreichen Brexit-Beschluß der Briten, sage ich: „Macht ein, zwei, viele
Volksentscheide gegen diese neoliberale EU“; denn Deutschland will oder kann
anscheinend niemand rausschmeißen.
Die Gründe
sind immer noch die gleichen, die ich 2012 nannte. Hinzu gekommen ist das
rapide Wachstum von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien in
den Ländern, in denen keine überzeugende inke Alternative existiert oder die
Linke aus verschiedenen Gründen diskreditiert ist: Ungarn, Österreich, Polen,
Niederlande, Griechenland, Frankreich und Deutschland. Der neoliberale
Kapitalismus verwandelt weite Teile der EU in ein Armenhaus, vergrößert die
soziale Ungleichheit selbst im reichen Deutschland, schürt Hass und Unfrieden
zwischen europäischen Völkern und führt Europa unter Führung der USA zurück in
einen gefährlichen Kalten Krieg mit Russland. Die Hoffnung, die EU sei ein
Garant für Frieden und Wohlstand, wird zum Grauen vor einer hässlichen
Wirklichkeit.
Diese
Verwandlung ist das Werk einer neoliberalen Elite unter Führung der deutschen
Kanzlerin Angela Merkel. Was ihre „marktkonforme Demokratie“ wirklich bedeutet,
wurde uns während der Wirtschaftskrise 2008/2009 vorgeführt. Der Bundestag war
nur noch Statist und Claqueur. Gefunden wurden die Entscheidungen, die er am
Ende absegnen durfte, im Dialog der Regierung mit der ökonomischen Elite, vor
allem den Banken und der Vertreter der Reichen und Superreichen. Mit CETA und
TTIP verfährt diese Elite genauso. Die Abkommen werden im Dialog der
EU-Bürokratie mit den transnationalen Konzernen entwickelt. Und weil sich die
europäische Verwaltung inzwischen in einen feudalistischen Bastard verwandelt
hat, droht sie jetzt, sie aus eigener Machtvollkommenheit in Kraft zu setzen:
„l´etat c´est moi“. Weil der Widerstand der europäischen Bevölkerung immer
größer wird. Die Rechtfertigung für dieses Verhalten liefert der deutsche
Bundespräsident Joachim Gauck: "Die Eliten sind gar nicht das Problem, die
Bevölkerungen sind im Moment das Problem". Es ist halt immer der tumbe
Tor, der ausspricht, was die intelligenten Gauner nur im Stillen denken.
So verwandelt
sich denn Angela Merkel von der glorreichen Herrscherin Europas in den
europäischen Super-GAU. Dabei haben sie selbst ihre Kanzlervorgänger, allen
voran Helmut Kohl, vor ihrer nationalistischen Europapolitik gewarnt. Sie hat
sie trotzdem fortgesetzt und Europa dem Diktat der ökonomischen Interessen der
deutschen Wirtschaft unterworfen. Durchsetzen konnte sie das, weil das
wiedervereinigte Deutschland seine ökonomische Dominanz noch potenzieren
konnte. Mitterand und Thatcher hatten Recht, als sie diese Wiedervereinigung
verhindern wollten. Und ich bin überzeugt, daß die Wurzeln für ihre
neoliberale und nationalistische Obsession
in ihrer ostdeutschen Vergangenheit zu finden sind. Eine Ossie zur Kanzlerin zu
machen, war vielleicht doch keine gute Idee.
Wer ein demokratisches, sozial und ökologisch wohlgestaltetes
Europa will, muß alle europäischen Verträge in die Tonne treten, die in der
neoliberalen Ära vereinbart wurden, insbesondere die von Maastricht und
Lissabon, dazu auch den EURO. Er muß die europäische höhere Bürokratie komplett
austauschen, weil die jetzige ihre neoliberale Ideologie kaum aufgeben wird. Er
muß die 20000 Lobbyisten aus Brüssel verjagen, die dort die kapitalistischen
Interessen ihrer Unternehmen knallhart vertreten. Oder er muß der Bürokratie
jeden Kontakt mit ihnen verbieten, der über eine öffentliche Anhörung
hinausgeht. Und er muß den heutigen feudalistischen Bastard EU zu einer
wirklichen Demokratie umorganisieren: volle parlamentarische Rechte für das
Parlament der EU, Wahl und Kontrolle einer europäischen Regierung durch dieses
Parlament. Die Nationalstaaten dürfen dann nur noch die Rolle spielen, die
heute die Bundesländer in der BRD innehaben. Wahrscheinlich ist es einfacher,
die bestehende EU vollständig in die Tonne zu treten und ein vereintes Europa
neu zu gründen. Klingt nach Utopie? Ist auch eine. Aber eine konkrete, weil die
Voraussetzungen für ihre Realisierung in der Wirklichkeit vorhanden sind. Man
braucht bloß die Macht dazu. Die kommt aus den Wahlurnen. Oder auch nicht.
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