Nicht nur die Grünen, auch die Umweltverbände und die anderen Parteien haben Ökopolitik bisher kaum klassenpolitisch analysiert. Es hiess und heisst auch jetzt immer noch pauschal, daß "wir" unsere CO2-Emissionen reduzieren müssen. Das ist durchaus wahr, wie man an dieser Grafik sieht:
Wahr ist aber auch, daß die Mitteparteien und die Umweltverbände von Angehörigen der Mittelklasse dominiert werden. Sie glauben, kein spezielles klassenpolitisches Interesse an diesem Thema zu haben. Sie sehen auch nicht, daß sich selbst die ökopolitischen Klasseninteressen
der Reichen und Superreichen von den ihren unterscheiden (dazu weiter
unten), sie halten ihre ökopolitischen Klasseninteressen für die gesamtgesellschaftlichen. Von den unteren Einkommensklassen wurde Ökopolitik so gut wie gar nicht hinterfragt, weil sie bisher den Alltag der dazugehörigen Menschen nur wenig tangierte. Man konnte es gerade noch aushalten oder wollte sich nicht politisch engagieren.
Das änderte sich schlagartig, als der Wirtschafts- und Energieminister Habeck das Ende der Öl- und Gasheizungen ankündigte. Ab 2024 sollen ausschließlich Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die
aus "mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien" Wärme gewinnen. Aus ökologischer Sicht ist das sinnvoll, sozial ist es in dieser Pauschalität katastrophal. Damit wurde auch die Frage, wer das Klima eigentlich zerstört und wer am meisten darunter leidet, urplötzlich gesellschaftspolitischen wichtig. Das ISW-Institut hat das bereits in einer Online-Publikation vom 12.4.2023 hervorragend aufgearbeitet: Unaufhaltsame Klimazerstörung und Emissionsexzesse der Reichen.
Diese Grafik stammt zwar nicht aus dieser Publikation, stellt aber die klassenspezifische globale Verteilung der CO2-Emissionen einfach dar.
Zitate aus der o.g. ISW-Studie:
"Die Klimazerstörung ist menschengemacht, wir sind alle schuld?
Ja und nein. Jeder Mensch ist mit seinem Beitrag dabei, aber die einzelnen Beiträge könnten nicht krasser unterschiedlich sein. Nach neuen Untersuchungen der IEA (22. 2. 2023) [6] emittiert ein Mensch, der den 10 % am meisten emittierenden Menschen der Weltbevölkerung angehört (das sind 782 Mio. Menschen), mehr als 200mal so viel CO2 wie ein Mensch, der Teil der 10 % am wenigsten Emittierenden ist [7]). Einer aus dieser exzessiven Verschwendergruppe verbraucht also alle etwa drei Monate die Mengen CO2, die bei einem sparsamen Menschen das ganze Leben reichen muss."
"In Grafik 3 ist die Weltbevölkerung angeordnet nach ihrer Emissionsintensität. Es wird deutlich, dass etwa 3 Milliarden Menschen so gut wie keinen Anteil an den Emissionen haben. Eine riesige Mehrheit von zwei Dritteln der Weltbevölkerung liegt deutlich unter dem weltweiten Emissionsdurchschnitt von 4,7 Tonnen CO2 pro Kopf, ungefähr 10 % der Weltbevölkerung liegt rund um und in der Nähe des Durchschnittes, und nur ein Viertel liegt darüber, und zwar weit darüber."
"Dieses emissionsintensivste Viertel der Weltbevölkerung umfasst den Großteil der Nordamerikaner (mehr als 80 % von ihnen), rund 60 % der Bevölkerung der EU und schon rund die Hälfte der Chinesen. Auch ein Zehntel der Inder sind hier mit dabei, ansonsten aus den armen Ländern nur Vereinzelte, nur die reichste Land- und Finanzelite, die Oligarchen, minimale Prozentanteile an der Bevölkerung. Was arm und was reich ist, wird hier aus der weltweiten Sicht definiert, damit also zwangsläufig aus der Sicht der riesigen Mehrheit armer Menschen in armen Ländern."
Allein diese Zitate und Fakten aus der o.g. verlinkten Studie machen das übliche Argument, wonach Deutschland doch nur 2 % der globalen CO2-Emissionen verursacht und deshalb die bevölkerungsreichsten Staaten wie China, Brasilien und Indien erstmal ihre Emissionen herunterfahren sollen, zu einem Fake-Argument. Es sind die Reichen, Superreichen und die wohlhabenden Mittelschichten der ganzen Welt, die den Hauptteil der CO2-Emissionen verursachen. Ihnen muß die Möglichkeit genommen werden, dies weiter zu tun, indem man ihre Einkommen und Vermögen auf das Niveau des jeweiligen Durchschnittseinkommens nivelliert. Das 2%-Fake-Argument bedient sich einer nationalistischen Ideologie, wie sie die Nationalsozialisten mit ihrer "Volksgemeinschaft" propagierten, zu der Reiche genauso dazugehörten wie Arme. Auch daran kann man ablesen, daß es diesmal die Extremisten der Mitte sind, die eine totalitäre, nicht auf Klassen, sondern auf Nation und Volk bezogene Ideologie und Gesellschaft etablieren wollen. Oder kurz gesagt: die Ökopolitik der Mitteparteien ist auch faschistisch.
Nun zu den Reichen und Superreichen
Sie sind wie jeder Mensch daran interessiert, gut leben zu können. Allerdings kommt ihre Vorstellung davon luxuriöser daher als die eines "normalen" Menschen. Sie wollen kein Haus, sondern eine Villa, kein Schlauchboot, sondern eine Yacht, keinen VW Golf, sondern einen Porsche Carrera. Leben wollen sie wie wir alle in einer intakten Natur und sie wollen solange wie möglich gesund bleiben. Ihr luxuriöses Leben wollen sie finanzieren können. Dabei wissen sie, daß das nur funktioniert, wenn sie andere Menschen und die Umwelt ausbeuten. Das steht ihnen zu, denken sie in der Regel. Wir wissen inzwischen, daß zumindest ein Teil von ihnen sehr genau weiß, daß das nicht mehr lange so wie bisher funktionieren wird. Einige von ihnen, darunter Peter Thiel, der Gründer von PayPal, haben sich Refugien in Neuseeland gekauft oder anderswo, wo sie den Untergang der alten kapitalistischen Welt in ihren "gated communities" überstehen wollen. Was mit der sonstigen Menschheit passiert, interessiert sie nicht. Sie haben sich auch schon bei "Experten" erkundigt, wie man dieses individuelle Überleben bewerkstelligen kann. Sie haben anscheinend Angst davor, von den eigenen Bediensteten beiseite geräumt zu werden. Die Reichen und Superreichen oder zumindest ein Teil von ihnen sind die wahren Prepper. Und sie haben die Macht und das Geld, ihr Überlebensziel ansteuern zu können.
Selbstverständlich brauchen sie die. Aber nur für sich selbst, für ihre Entourage und all die Experten, die zur Aufrechterhaltung einer bewohnbaren funktionierenden Welt gebraucht werden. Alle anderen gehören für sie zum "Heer der Überflüssigen" (vom Soziologen und Philosophen Zygmunt Baumann geprägter Begriff). Was mit den Überflüssigen passiert, kann man heute schon nicht nur im globalen Süden, sondern auch in den USA und Europa besichtigen. Sie finden keinen Arbeitsplatz oder nur prekäre und vorübergehende Arbeitsplätze in der formellen Arbeitswelt, vegetieren am Existenzminimum oder darunter und werden von den Herrschenden sozial und medial diskriminiert. Oder sie leben sowieso schon in und von der informellen Schattenökonomie unter noch elenderen Lebensbedingungen.
Die Grafik zeigt, wo die Reichen und Superreichen leben werden (im grünen Bereich), wenn man sie nicht endlich stoppt.
Die Domestizierung der Überflüssigen und der ganzen Welt
Um die Welt der Reichen und Superreichen vor den Überflüssigen und Unbotmäßigen zu schützen und die Ausbeutung von Mensch und Umwelt aufrechterhalten zu können, unterhalten die USA und die anderen Industriestaaten effiziente Armeen und im Innern militaristisch hochgerüstete Polizeikräfte. Sie werden immer dann eingesetzt, wenn die "normale" Unterdrückung und/oder das "bei der Stange halten" durch Propaganda, also durch Gehirnwäsche, Framing und Nudging, nicht mehr funktioniert. Jüngstes Beispiel dafür sind die Auseinandersetzungen der französischen Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft mit dem gewalttätig agierenden Macron-Regime wegen dessen "Rentenreform". Ständig verbessert wird die "normale" Domestizierung allerdings durch Ausweitung digital gestützter Kontrolle, Überwachung und Manipulation. Daran arbeiten nicht nur die Staaten, sondern auch Cyberfirmen, vor allem die "Big Five" (Google, Facebook, Apple, Microsoft, Amazon), die mit den Staaten zusammenarbeiten.
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