„Wotan ist bei Richard Wagner „Gott, Naturfrevler, Machtmensch und Herrscher der Welt, „Lichtalbe“, er schuf die Gesetze, die im aus der Weltesche geschnittenen Vertragsspeer eingeritzt sind, und ließ die Götterburg Walhall zur Festigung seiner Macht erbauen. Ist auch als Wälse und Wanderer unterwegs. An seiner Machtpolitik – er hält die eigenen Gesetze nicht ein – werden die Götter und damit die bestehende Weltordnung untergehen“ (Der Ring des Nibelungen - Rollen).“ Man könnte meinen, Richard Wagner war ein Hellseher, der die aktuelle Situation des amerikanischen Imperiums vorhergesehen und in eine Oper umgesetzt hat.
Wotans Gesetze sind im Vertragsspeer eingeritzt. Es ist also nachprüfbar, ob Wotan sich daran hält. Die regelbasierte Ordnung ist nebulöses Hirngespinst, pure Willkür. Nur das Imperium war bisher mächtig genug zu definieren, was regelbasiert ist und wer sich daran hält und wer nicht. So ist es möglich, daß die mörderischte Diktatur der Welt, Saudi-Arabien, zu den Staaten gezählt wird, die sich daran halten, weil es mit dem Imperium verbündet ist (bisher). Staaten wie Venezuela, Syrien, Iran oder Bolivien aber nicht, weil sie einen eigenständigen Weg verfolgen. Das für alle verbindliche Völkerrecht soll damit ausgehebelt werden. Orwell ist nichts dagegen.
Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung muss anerkennen, daß die Schlacht in der Ukraine das Fanal zum Aufbruch der Völker in ein multipolares Zeitalter ist. Über Putin heißt es dort: "In einem hat er sich nicht vertan: Seine Allianz mit China hält, und die Mittelposition von Ländern wie Indien kommt ihm ebenfalls zugute, sogar materiell. Wenn man so will, ist der Ukrainekrieg tatsächlich die erste Schlacht des multipolaren Zeitalters." (FAZ 14.07.2022, Andreas Wehr). Die Fokussierung der Debatte im Mainstream auf die Frage, ob der russische Einmarsch in die Ukraine völkerrechtswidrig war, wird dieser historischen Dimension nicht gerecht und ist geradezu lächerlich. Das westliche Imperium will mit dieser Diskussion die Welt von seiner jahrhundertelangen völkerrechtswidrigen und völkermörderischen Praxis ablenken.
Zu der gehört, daß nicht Russland oder China, sondern das US-Imperium in seinem knapp 240jährigen Bestehen über 400 meist völkerrechtswidrige Kriege geführt hat, daß es in seinen völkerrechtswidrigen Kriegen nach dem 2.Weltkrieg 20 bis 30 Millionen Menschen umgebracht hat, daß es in vielen Ländern geheime und damit völkerrechtswidrige Kriege führt, von denen nicht einmal diese Länder wissen und daß es jeden Tag und überall mithilfe von Drohnen Menschen ermordet. Das US-Imperium unterstützte 1965 das indonesische Militär bei der Ermordung von etwa einer Million Zivilisten. Der preisgekrönte Publizist Vincent Bevins erinnerte an ein Massenmordprogramm, das in vielen Teilen der Welt gezielt durchgeführt wurde, so in Brasilien, Chile oder Argentinien. Dem russischen Einmarsch in die Ukraine gingen völkerrechtswidrige Aktionen des Imperiums voraus: die Ausdehnung der Nato nach Osten, der gewalttätige Putsch 2014 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch und die Blockade der Minsk-Abkommen durch Deutschland, Frankreich und die Ukraine. Die antirussische Propaganda ist pure Heuchelei eines Weltenbrandstifters, der einen Taschendieb zum Weltfeind Nr. 1 hochjazzt. Daß das Volk der Bürgerkinderchen darauf hereinfällt, wundert micht nicht, die fallen auf alles herein. Nur daß auch viele diese Heuchelei mitmachen und mit dem US-Imperium doppelmoralisch und russophob um die Wette heulen, die sich für „links“ oder „fortschrittlich“ halten, zeigt halt, daß ihre politische Analysefähigkeit gleich Null ist. Sie sind nur noch lästig.
Interregnum oder Endzeit
Wagner entschloß sich bezüglich des Endes seines Weltendramas spätestens 1852 für ein Ende, bei dem die Götterwelt untergeht, alles weitere aber offen bleibt. In seiner Schrift über die Revolution heißt es: „Zerstören will ich die bestehende Ordnung der Dinge, welche die einige Menschheit in feindliche Völker, in Mächtige und Schwache, in Berechtigte und Rechtlose, in Reiche und Arme teilt, denn sie macht aus allen nur Unglückliche. Zerstören will ich die Ordnung der Dinge, die Millionen zu Sklaven von Wenigen und diese zu Sklaven ihrer eignen Macht, ihres Reichtums macht. Zerstören will ich diese Ordnung der Dinge, die den Genuss trennt von der Arbeit, die aus der Arbeit eine Last, aus dem Genusse ein Laster macht, die einen Menschen elend macht durch den Mangel und den anderen durch den Überfluss.“ Das klingt nach Utopie, nicht nach Dystopie.
In der heutigen wirklichen Welt ist das viel unentschiedener. Die Utopie einer intelligenter, menschenfreundlicher und naturfreundlicher eingerichteten Welt ist weiterhin möglich und wird vom laufenden Befreiungskrieg befördert. Die nichtwestlichen Völker der Welt wenden sich vom westlichen Mafia-Imperium ab und sortieren sich neu in selbst gegründeten Organisationen und Institutionen wie BRICS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und/oder schließen sich der chinesischen neuen Seidenstrasse an, um eigenständig Wohlstand generieren zu können. Das Imperium und seine unipolare, angeblich regelbasierte Weltordnung gehen unter. Das ist allerdings ein länger dauernder Prozess, der nicht glatt verläuft. Auch innerhalb der BRICS-Staaten geht es nicht harmonisch zu, weil sie natürlich unterschiedliche Interessen haben. Aber auch das Imperium wird weiterhin alles tun, um seine globale Hegemonie und damit ungeheure Privilegien wie die imperiale Lebensweise behalten zu können. Es wird weiterhin Zwietracht säen, geheime und nicht so geheime Kriege anzetteln, unbotmäßige Länder ins Chaos stürzen, sie mit völkerrechtswidrigen Sanktionen überziehen, mit Drohungen zum Wohlverhalten zwingen.
Es kann auch immer noch passieren, daß dieses untergehende Imperium einen alles vernichtenden Weltenbrand entfacht. Die amerikanischen Neokonservativen, die den amerikanischen Exceptionalismus auslegen, als seien die USA das neue Zion oder Jerusalem, die Götterburg auf dem Hügel, träumen mit einem Teil des amerikanischen Militärs von einem gewinnbaren Atomkrieg. Von Figuren wie Anthony Blinken, Victoria Nuland und Robert Kagan, um nur die durchgeknalltesten zu nennen, ist jede Dystopie zu erwarten. Sie agieren auf dem Hintergrund einer tief gespaltenen Gesellschaft mit riesigem sozialen Elend und sozialer Ungleichheit, die nur deshalb noch nicht explodiert ist, weil sich auch noch der elendeste Amerikaner als Mitglied einer auserwählten Nation fühlt.
Die Einreihung Deutschlands in die imperiale Vasallenhorde ist ein historischer Fehler, der jetzt schon wirtschaftlich schwer schadet. Eine halbwegs intelligente deutsch/europäische Politik würde nicht das Imperium, sondern den globalen Süden und seinen Befreiungskrieg unterstützen, die Waffenlieferungen an die Ukraine sofort beenden, auf sofortige Friedensverhandlungen USA/Russland drängen, aus der NATO austreten und sich stattdessen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit anschließen, mit Russland eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung ohne USA vereinbaren, die Dollarhegemonie topedieren, die chinesiche neue Seidenstraße unterstützen und den Yankees einen unauffälligen Abgang als unipolare Hegemonialmacht verschaffen. Nicht daß sie doch noch Amok laufen.
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