Dienstag, 19. Mai 2020

Laufstall für Unmündige


In Bayreuth hat der Regisseur Tobias Kratzer letztes Jahr auf der Bühne des Festspielhauses visualisiert, was Framing ist. Der Rahmen war zu sehen. In ihm verharrte die verknöcherte Wartburggesellschaft in ihren versteinerten Konventionen, ihrer toten Ideologie und ihrer Angst, aus dem Rahmen zu fallen und dann nicht mehr dazu zu gehören. So wie die, die schon äußerlich als nicht dazu gehörend markiert waren: Venus mit ihren beiden Fans. Tannhäuser schwankte zwischen beiden Welten und konnte sich nicht für eine entscheiden. Dieses Framing ist ein geistig-ideologischer Laufstall für Unmündige. In ihm ist genug Raum, um ihnen die Illusion vermitteln zu können, frei zu sein. Aber versuchen sie, den Laufstall zu verlassen, stößt man sie bestrafend zurück. Wie es mit Kindern geschieht, die über den Laufstall zu klettern versuchen.
Mit der Verschwörungstheorie von der Verschwörungstheorie oder Verschwörungsmystik hat man die ideologische Konstruktion des Laufstalles für Unmündige auf perfide und geradezu geniale Weise ergänzt. Sie funktioniert, wie man mit uns Kindern umging, wenn eins von uns Masern bekam. Die Eltern steckten uns zusammen. So war die Sache auf einmal erledigt. Heute steckt man die mit den rationalen Argumenten, mit denen sie etwa den irren Umgang des Mainstreams mit der Coronakrankheit kritisieren, zu denen in den gleichen virtuellen Laufstall, die ebenso irre dagegen polemisieren. So werden selbst anerkannte Experten mit dem Chemtrail-Virus infiziert und ausgegrenzt. Sie werden zu misfits, zu Außernseitern wie die Chemtrailer, also zu solchenen, die man ebenso wenig ernst nehmen darf wie die Chemtrailer; denn sonst gehört man selbst nicht mehr dazu. Und es funktioniert.

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