Dienstag, 19. September 2023

Die sanfte Autokratie

 


„Der Würgeengel“ ist ein surrealistischer, 1962 veröffentlichter Film von Luis Bunuel. In der Regel wird er als garstige Farce interpretiert, mit der die Bour­geoi­sie nach allen Regeln der Kunst entlarvt wird. Er benötigt dazu lediglich den abstrakten kleinen Trick, eine Gruppe von Großbürgern virtuell einzusperren, einmal in einer Villa, das andere mal in einer Kirche. Besonders die Kirche als unsichtbares Gefängnis, das die Protagonisten jederzeit verlassen könnten, kann als Metapher für die sanfte Autokratie genommen werden. Diesen Begriff hat auch schon der einstige Wahlkampfhelfer Edmund Stoibers, Michael Spreng, verwendet. Er sprach von „Merkels sanfter Autokratie“, gemünzt auf die Merkelsche sanfte Art, die CDU zu führen. Ich verwende den Begriff als Gegenstück zur harten Autokratie, dem Faschismus, Nationalsozialismus und Stalinismus. Ein anderer Begriff für eine totalitäre, aber sanfte Autokratie ist „der umgekehrte Totalitarismus“ von Sheldon S. Wollin, der ihn auch zur Abgrenzung von der harten Autokratie verwendet.

Die härtesten Unterscheidungsmerkmale der harten zur sanften Autokratie sind die physische Vernichtung von Menschen aufgrund rassistischer Vorurteile (Holocaust) und das Einsperren in Konzentrationslager, ebenfalls aufgrund rassistischer Vorurteile und/oder politökonomischer Feindschaft. Sie und die vom italienischen Philosophen Umberto Eco definierten 14 „Merkmale des Urfaschismus“ wurden im Faschismus/Nationalsozialismus gebraucht, weil die Fundamente der sanften Autokratie noch nicht „gebrauchsfertig“ entwickelt waren, also Ideologie, Propaganda, Propagandafront. Eine umfassende Beschreibung der SoftPowerManipulationsMethoden, neben meinen verlinkten BlogPosts, bietet das Buch „Kognitive Kriegsführung“. Andere ausführliche Beschreibungen liefern inzwischen viele Studien, darunter „Warum schweigen die Lämmer“ von Rainer Mausfeld und „Der Überwachungskapitalismus“ von Shoshana Zuboff.

Das gesellschaftliche Produkt dieser Manipulationsmethoden ist das von mir so genannte „Volk der Bürgerkinderchen“. Gestützt wird dieser Begriff vom Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen: „Im Endeffekt soll verhindert werden, dass aus Studierenden reife und im vollen Sinn des Wortes erwachsene Menschen werden. Es wird alles getan, damit Studenten Kinder bleiben. Dies alles wäre nichts weiter als ein skurriler Fall kollektiver Psychopathologie, würden nicht viele der auf diese Weise geistig und charakterlich Zurechtgestutzten am Ende Macht über uns alle in ihren Händen halten“ (Wie ich meine Uni verlor).

Diese geistig und charakterlich zurechtgestutzten Bürgerkinderchen sind nicht mehr fähig, hinter der totalitären Propaganda von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft die Wirklichkeit zu erkennen. Totalitär ist sie, weil die meinungsbildenden Kommunikationsmedien die gesellschaftlichen Geschehnisse einheitlich schildern, zwischen Tagesschau-Nachrichten und der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung gibt es so gut wie keine inhaltlichen Unterschiede mehr. Zu dieser Beschränkung auf nur noch ein totalitäres Weltbild trägt auch der Komformismus bzw. die Normopathie bei, die heute auch digital gefördert werden. Auf alternative Medien zurückzugreifen und darob sein Weltbild zu ändern, trauen sich fast nur noch Nonkonformisten. Die sind inzwischen so häufig wie vierblättrige Kleeblätter in der Wüste Gobi.

Wie sicher die Polit- und Medienbande den Manipulationsmethoden vertraut, zeigt ihr verlogener Umgang mit der eigenen Bevölkerung. Sie schwätzt ihr erfolgreich auf, es ginge in der Ukraine um Demokratie und Freiheit, nicht um einen Stellvertreterkrieg des Imperiums gegen Russland, für den die USA auch noch den letzten ukrainischen Soldaten verheizen, die Ukraine in einen gescheiterten Staat und Europa in eine ruinierte Armutszone verwandeln werden. So wie diese feige Vasallenhorde es schaffte, während des Afghanistankrieges den Bürgerkinderchen das Märchen aufzubinden, es ginge darum, „am Hindukusch die Freiheit“ zu verteidigen. Diese zynische Propagandafront verkauft erfolgreich die Aufstockung des Rüstungshaushaltes und die in einem Schattenhaushalt angesetzten Rüstungs-Milliarden-Schulden so, als würde „der Russe“ längst einmarschbereit an der deutschen Ostgrenze stehen. Derweil bezeichnet sie die Ausweitung der Kindergrundsicherung als nicht machbar, weil sonst der Bundeshaushalt angeblich außer Rand und Band gerät. Kurz gesagt, verweigert sie jede notwendige Armutsbekämpfung und stopft nicht nur dieses eingesparte Geld der Rüstungsindustrie in den gierigen Rachen. Sie führt einen nichtmilitärischen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, im Namen und Interesse des US-Imperiums, weil sie nicht die politische Vertretung eines souveränen Staates ist, sondern die Pontius-Pilatus-Verwaltung einer US-amerikanischen Provinz.

Die Bürgerkinderchen werden mindestens solange am politökonomischen Status Quo festhalten, wie ihr Weltbild nicht von der Wirklichkeit zerstört worden ist. Unter den gegebenen Umständen ist also jede Hoffnung auf grundlegende Reformen oder gar eine Revolution vergebens. Das läßt sich alleine aus dem Ablauf der Corona-Fake-Pandemie und der völligen Fehleinschätzung des Ukrainekriegs ablesen. Der zivilisatorische Schock, der zur Abkehr vom Status Quo führen könnte, müßte wahrscheinlich schlimmer ausfallen als die Schocks durch den 1. und 2. Weltkrieg.

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