Wie sehr lineares Denken auch in „linken“ Kreisen verbreitet
ist, wird an der Diskussion über den Wahlsieg Trumps kenntlich. Da wird dann
anderen Linken, die in Trumps Triumph die Aufweichung der scheinbar ehernen
Bindung des Mainstreams an den Neoliberalismus erkennen und das positiv
kommentieren, vorgeworfen, sie seien für Trump. Obwohl der doch ein Faschist
sei. Schon das ist falsch. Faschismus
wird in der Geschichtswissenschaft anhand von 6 Kriterien identifiziert,
nachzulesen auf Wikipedia, siehe faschistische
Elemente nach Gentile. Danach ist Trump ein sexistischer, rassistischer
Demagoge und Macho mit einer gefährlichen Neigung zu politischem
Autoritarismus, aber kein Faschist. Und sie messen die Entfernung Trumps und
Hillary Clintons zu links anscheinend mit einem imaginären Lineal, auf dem die
Entfernung von (neo)liberal zu links kleiner erscheint als die zwischen
faschistisch und links. Tatsächlich ist der (Neo)Liberalismus aber ebenso eine
Spielart des Kapitalismus wie Faschismus. Leicht zu studieren ist das an der
Geschichte der Weimarer Republik. Dieses Lineal taugt also nichts, es ist naiv
und unpolitisch. Wer eine linke Antwort und Strategie gegen rechtsradikale
Demagogie entwickeln will, darf nicht bei der moralischen Verurteilung Trumps
stehen bleiben.
Ich z.B. sehe in der Wahl Trumps, daß der Riss
zwischen "denen da oben" und "denen da unten" chaotisch
wird, also nicht mehr nur mit Nichtwählen, sondern mit der Abwahl der
neoliberalen Eliten sichtbarer wird. Das erhöht die Gefahr eines neuen
Faschismus, kann aber auch von den Linken aller Couleur benutzt werden, um ihre
politischen Vorstellungen verstärkt einzubringen, mit mehr Aussicht auf Erfolg.
Der neoliberale Kapitalismus ist nicht mehr der starre, scheinbar unangreifbare
Monolith der letzten Jahrzehnte. Auch in den kapitalistischen Metropolen wächst
das Chaos, die Verhältnisse beginnen zu tanzen. DAS ist das Positive, das
dieser Wahlausgang markiert, nicht Trump.
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