Montag, 21. März 2011

Erkennen statt Erfahren

Selbst die positive Entscheidung, die sieben alten Atomkraftwerke wenigstens vorläufig vom Stromnetz zu nehmen, enthält noch eine schlimme Erfahrung: Auch eine Kanzlerin, die Physik studiert hat, gründet ihr Handeln im Zusammenhang mit lebensgefährlichen Großtechnologien auf Erfahrung, in diesem Fall auf die Erfahrung der entsetzlichen Geschehnisse im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 1.
Handeln aus Erfahrung ist die archaische Form des Entscheidens, die schon unsere Vorfahren als Jäger und Sammler beherrschten. Für sie war das, vor 70000 Jahren, eine ihrer Umwelt und deren Gefahren angemessene Verhaltensweise; denn die vielleicht schlimmste drohende Gefahr war, daß einer aus der Horde von einem Raubtier angefallen und getötet wird. Sie taugt aber ganz bestimmt nicht für heutige Großtechnologien, deren "Restrisiko" bei Eintritt des Risikofalles darin besteht, daß weite Teile Deutschlands für Jahrtausende radioaktiv verseucht werden und Tausende Menschen direkt oder erst nach Jahren getötet werden. Die Konsequenzen dieses Restrisikos erfahren kann nur, wer es erlebt, es also zum Handeln zu spät ist.
Die einzig angemessene Verhaltensweise gegenüber solchen Großtechnologien ist das Handeln aus Erkenntnis. Die rationale Erkenntnis beinhaltet, da sie nur durch Recherchieren zustande kommen kann, das Wissen um das Restrisiko und dessen Konsequenzen. Und sie weiss deshalb, daß die statistische Häufigkeit eines solchen Restrisikos, die im allgemeinen mit einem GAU-Ereignis innerhalb von 200000 Jahren angegeben wird, nicht aussagt, daß der GAU oder Super-GAU dann auch erst in 200000 Jahren passiert. Es kann genausogut schon morgen oder übermorgen passieren, daß das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld in der gleichen Weise kollabiert wie die Reaktoren in Fukushima. Die freigesetzte Radioaktivität würde allerdings nicht auf ein nicht vorhandenes Meer hinausziehen, sondern wahrscheinlich Süddeutschland verseuchen. Handeln aus Erkenntnis geht ein solches inakzeptables Restrisiko gar nicht erst ein. Wer so entscheidet, wird Atomkraftwerke also gar nicht erst bauen oder, wenn sie bereits existieren, so schnell wie möglich abschalten.
Handeln aus Erkenntnis beinhaltet aber auch, Politiker nicht zu wählen, die von solchen Großtechnologien erst Abstand nehmen, wenn sie deren inakzeptable monströse Gefährlichkeit erfahren haben. Vor allem dann, wenn diese Erfahrung jetzt schon dreimal gemacht werden mußte: Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima. Wobei bei Tricky Angie, ihrer Regierungsgang und bei Krokodil-Mappus auch noch anzunehmen ist, daß ihr derzeitiges Abstandnehmen nur taktische Wahkampftrickserei ist.

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