Montag, 11. September 2017

Ihr, die ihr nicht dazugehört, haltet Euch fern


Die westdeutsche Demokratie ist nicht auf hehren Idealen wie Einigkeit und Recht und Freiheit oder den sogenannten westlichen Werten errichtet worden, die dem Wirklichkeitstest sowieso nicht standhalten. Das Fundament waren die vier großen amerikanischen C: cigarettes, chocolate, chewing gum und cola. Auf die darbenden Deutschen wirkte die von den amerikanischen Soldaten vermittelte Sicht auf den materiellen Lebensstil der US-Amerikaner faszinierend. Von der amerikanischen „democracy“ nahmen die unbedarften Deutschen dann an, daß sie halt dazugehört. Das machte sie beliebt. Diese Orientierung am Materiellen ist in Ordnung; denn, wie schon Bertold Brecht sagte, „zuerst kommt das Fressen, dann die Moral“.

Es sollte sich niemand wundern, wenn heute das Ansehen der „democracy“ bei denen leidet, die von den Profiteuren des Status Quo gerne als die „Abgehängten“ bezeichnet werden. Allein die Wortwahl sagt etwas aus über die Verachtung, mit der die, denen es tatsächlich gut geht in diesem Land, denen begegnen, deren Einkommen in den letzten Jahrzehnten nicht gestiegen, sondern gesunken ist. Sie erfahren täglich, daß die bejubelte Senkung der Arbeitslosenzahlen vor allem darauf zurückzuführen ist, daß gut bezahlte Vollzeitarbeitsplätze in miserabel bezahlte Teilzeit- oder Miniarbeitsplätze verwandelt wurden; denn sie brauchen jetzt zwei oder drei Jobs, um über die Runden zu kommen oder zusätzliche Unterstützung durch Hartz IV. Und wenn sie arbeitslos werden und Hartz IV beanspruchen müssen, erfahren sie zu oft Willkür, Diskriminierung und auch wieder Verachtung. Die jetzt angekündigte Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 9 € ist blanker Zynismus.

Wenn dann die Kanzlerin verkündet, es ginge Deutschland so gut wie nie zuvor, fühlen sich die Nichtprivilegierten zu Recht ausgeschlossen. Über dem Eintrittsportal zum 60-Prozent-Paradies der Kanzlerin steht unausgesprochen, was sie wirklich meint: Ihr, die ihr nicht dazugehört, haltet Euch fern. Das politische Credo der Kanzlerin ist nicht Solidarität, sondern neoliberal fundierte Spaltung. Das gilt auch für ihre Regierung. Der Finanzminister achtet nicht auf das Wohl aller. Er ist oberster Wächter der Geldkanäle, in denen alles Geld dieser Republik möglichst ungehindert und ungeschmälert in die virtuellen Geldspeicher der Reichen und Superreichen geleitet wird.

Die Spaltung im Inneren setzt die Kanzlerin im Außen fort. Die Europäische Union ist inzwischen in ein Kerneuropa geteilt, zu dem nur vier oder fünf Länder gehören, deren wirtschaftspolitische Daten gut sind. Der Rest ist in die Peripherie abgedrängt worden und leidet unter der von der deutschen Kanzlerin und ihrem Finanzminister verordneten Sparpolitik. Europa ist unter deutscher Führung erbarmungslos gegen die Armen und Ausgebeuteten der außereuropäischen Welt abgeschottet worden. Der relative Reichtum Europas soll nur denen zukommen, die zu den 60 Prozent oder weniger Privilegierten zählen. Und über allem steht unausgesprochen das altbekannte Motto: Deutschland, Deutschland über alles. Die Politik dieser Kanzlerin ist asozial. Wer bereit ist, mit ihr zu koalieren, ist es auch. Und sowas soll ich wählen? Niemals.

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