Dienstag, 23. Juli 2024

Die Christen auf dem Kriegspfad

 


Frank Sauer hat Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt studiert, wo er auch promovierte. Er habilitierte sich an der Universität der Bundeswehr München. Im evangelischen Blatt "Chrismon" darf er in einem Interview mit dem Redakteur Constantin Lummitsch am 17.07.2024 ein wahres Feuerwerk an russophoben und falschen Behauptungen aufstellen. So behauptet dieser „Experte“ für „Technologie und Sicherheit“ beispielsweise, mit den zur Aufstellung vorgesehenen Marschflugkörpern Tomahawk könne man Moskau nicht erreichen (Ängste vor US-Raketen). Er widerspricht damit auch der gesamten Expertenschar des Mainstreams. Auf die Frage, wer falsche Ängste schürt, antwortet er: „Das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD. Beide sind Desinformationsschleudern. Dass es zumindest bei der AfD Verstrickungen mit dem Kreml gibt, ist belegt. Beide wollen den Menschen jetzt aus innenpolitischen Motiven unnötig Angst vor dem Atomtod einreden." Schon die suggestive Frage nach „falschen Ängsten“ verrät, welche Antwort von ihm von diesem christlichen Blatt erwartet wird. Tatsächlich warnen inzwischen eine ganze Reihe friedensorientierter Organisationen (z.B. Naturwissenschaftler für Frieden) und Medien vor der Aufstellung von Langstreckenwaffen, die atomar bestückt werden und Moskau erreichen können. Das Wording von „Chrismon“ passt sehr gut zu einer Stellungnahme der evangelischen Kirchenspitze, die genauso gut von einer Marionette des US-Imperiums wie Annalena Baerbock hätte formuliert werden können: „Die Ukrainer wollen in Frieden und Freiheit leben und solange das nicht möglich ist, brauchen sie unsere Unterstützung, auch im Moment durch Waffen“ (Waffen allein), so die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, im ZDF-Morgenmagazin am 05.04.2023. Unter der Überschrift „Gewalt beenden, dem Hass entgegentreten“ äußert sich auch die EKD-Kirchenkonferenz am 24.03.2022 zum Krieg in der Ukraine im gleichen Ton (Gewalt beenden): „Wir rufen die russische Führung auf, die Gewalt zu beenden. Wir sehen mit ohnmächtigen Gefühlen auf den Kriegstreiber und unterstützen die Bemühungen der Politik, ihm wirksam entgegenzutreten“. Die evangelische Kirche ist also offiziell auf dem Kriegspfad gegen „den Verrückten in Moskau“, wie Putin von einem evangelischen Pfarrer in meiner Gegenwart genannt wurde. Für die EKD ist, ganz in der Lesart des Imperiums, Putin der böse Feind, der den Ukrainekrieg einfach so losgetreten hat. Die Wahrheit, wie es wirklich zum Krieg in der Ukraine kam, findet man hier, hier und hier. Doch diese inzwischen sattsam bekannte Vorgeschichte dieses Krieges blendet die evangelische Kirche aus. Sie ist damit Teil der westlich-imperialen Propagandafront.

„Ihre Antwort auf die Ausgangsfrage ist kurz und klar: „Nein!“ Einen Frieden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kann es nach Ansicht von Prof. Dr. Irina Scherbakowa nicht geben. Die russische Friedensnobelpreisträgerin 2022 und Mitbegründerin der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“ ging in ihrem Vortrag in der Reihe „DomGedanken“ am 6. September im münsterischen St.-Paulus-Dom noch einen Schritt weiter: Wer auf Verhandlungen statt auf militärische Unterstützung dränge, unterstütze den Angriffskrieg gegen die Ukraine.“ So steht es im Blatt des katholischen Bistums Münster vom 07.09.2023 (Mit Putin kein Frieden). Ins gleiche Horn bläst die deutsche Bischofskonferenz der Katholiken mit ihrer Verurteilung eines päpstlichen Friedensaufrufes: „Äußerungen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine haben auch Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland auf den Plan gerufen. Die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnete die Äußerungen des Papstes als "unglücklich", nahm ihn aber gleichzeitig gegen den Eindruck in Schutz, der Ukraine eine Kapitulation nahegelegt zu haben.“ Der Papst hatte es gewagt, der Ukraine „Mut zur weißen Fahne“ anzuraten. Über beides berichtete die Tagesschau am 10.03.2024: Papst zum Ukrainekrieg. Ein Pazifist als Papst? Geht gar nicht. In einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.03.2022 ist Russland der alleinige Aggressor: „Immer wieder weisen die Ukrainer darauf hin, dass sich ihr Land bereits seit 2014 im Krieg befinde. Tatsächlich hat die Russische Föderation damals mit der Annexion der Krim und den sogenannten „hybriden“ Kriegshandlungen in den ostukrainischen Gebieten um Luhansk und Donezk den Frieden gebrochen“ (Ukraine-Erklärung). Nur in diesen zwei zitierten Sätzen finden sich drei kapitale Lügen, die von der ukrainischen Regierung und von der westlich-imperialen Propagandafront ständig verbreitet werden; denn die Eingliederung der Krim nach Russland hat eine Volksabstimmung der Krimbevölkerung beschlossen, zwischen 2014 und 2022 gab es einen Bürgerkrieg, der von der ukrainischen Regierung gegen die abtrünnigen Oblasten Luhansk und Donezk geführt wurde, aber keinen Krieg mit Russland. Auch die katholische Kirche Deutschlands ist also Teil dieser Propagandafront und auf dem Kriegspfad.

Man kann unterschiedlicher Meinung über die Ursachen des Krieges in der Ukraine sein. Aber ist es mit der christlichen Lehre vereinbar, statt Frieden Krieg zu predigen? Statt die USA, NATO und die Ukraine aufzufordern, die vom westlichen Imperium abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen, die Kapitulation des „bösen Feindes“ Russland zu fordern? Obwohl dieser Krieg für das Imperium auch nach Meinung vieler Kriegsexperten des westlichen Mainstreams bereits verloren ist und nur immer noch mehr Menschen perspektivlos umbringt? Sind die christlichen Kirchen zu Organisationen pervertiert, die nicht Frieden, sondern Massenmord fordern und predigen? Nach ihrem indifferenten Verhalten zum israelischen Morden in Gaza zu urteilen, akzeptieren sie sogar Völkermord, wenn er von den „Guten“, also vom Westen begangen wird. Sie sind die nihilistischen Kirchen des westlichen Imperiums der Apokalypse. Das sind sie schon, seit das Christentum im alten Rom zur Staatsreligion geworden ist (Zur Hölle mit dem Abendland).

Freitag, 19. Juli 2024

Es ging nie um Frieden

 


„In den 1980er-Jahren sind sehr viele Bürger in Westdeutschland und in der DDR auf die Straße gegangen – sie protestierten gegen den damaligen unerbittlichen wie sinnlosen Aufrüstungswahn. Es war umsonst.“ Mit diesen beiden wahren Sätzen beginnt Frank Blenz seinen Artikel in den Nachdenkseiten vom 18.07.2024 über den mangelnden Widerstand gegen die Kriegspolitik der politischen Klasse des US/NATO-Imperiums, zu der auch die deutsche gehört. Von mangelndem Widerstand konnte man bei den von Millionen besuchten Demonstrationen und anderen politischen Aktionen in Bonn, Mutlangen, Stuttgart, Berlin und anderswo nicht reden, die anfangs der 1980er Jahre gegen die NATO-Nachrüstung mit atomar bestückten Pershing-Raketen und Marschflugkörpern veranstaltet wurden. Im Herbst 1983 wurden sie dennoch aufgestellt, vorzugsweise in der Bundesrepublik Deutschland.

Allerdings wurden sie 1987 wieder abgezogen, nachdem die „Grossen Jungs“, USA und Sowjetunion, den INF-Vertrag abgeschlossen hatten. Sie hatten sich schon vorher, zusammen mit ihren Vasallenstaaten, im Jahr 1973 auf die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“(KSZE) geeinigt. Die wurde im Jahr 1995 in die „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit“ (OSZE) überführt. Im Jahr 2012 erhielt die EU für all die Bemühungen um eine stabile europäische Friedensordnung den Friedensnobelpreis. In Europa schien ein Jahrtausend des Friedens angebrochen zu sein. Tatsächlich ging es nach vielen Jahren der oft existenzbedrohlichen Spannungen um die Etablierung eines Modus Vivendi, der diese Spannungen für beide Seiten weniger gefährlich machte. Dafür stehen die Geschehnisse in Berlin 1953, in Ungarn 1956, in Kuba 1961 und in der Tschechoslowakei 1968. Es ging nie um Frieden, sondern um einen Waffenstillstand. Diesen Zusammenhang erkennt heute, wer zur Analyse noch fähig ist.

Dieser Modus Vivendi verlor für das westliche Imperium der Apokalypse seinen Sinn noch in den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Das plötzlich frei zugängliche Osteuropa lockte mit seinen gut ausgebildeten Bevölkerungen, denen man für ihre Arbeit nicht so viel bezahlen musste wie für die westlichen Lohnarbeiter, seinen natürlichen Ressourcen und einem weithin ungestillten Markt für die Glasperlenprodukte des Westens. Für die Konzerne des Imperiums war Osteuropa das neue Eldorado. Die wirtschaftliche Vereinnahmung der osteuropäischen Staaten wurde sofort angegangen, die Erweiterung der NATO nach Osteuropa zeitverzögert. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn der NATO bei. 2004 folgten Rumänien, Bulgarien, Slowenien, die Slowakei, Estland, Lettland und Litauen, 2009 Albanien und Kroatien. Dies geschah, obwohl Russland heftig dagegen protestierte und sich dabei auf die Vereinbarungen berief, die Anfang der 1990er Jahre die deutsche Wiedervereinigung erst ermöglicht hatten. Auch im Westen sprachen sich Kenner der west-östlichen Beziehungen gegen diese russlandfeindliche Erweiterung in den osteuropäischen Raum aus. Auch die Sprache und die Art und Weise, mit der man Russland gegenübertrat, änderten sich rapide, spätestens nachdem Russland ab Anfang der 2000er Jahr wieder zu politischer und wirtschaftlicher Stärke und Souveränität zurückfand und die imperialistischen Konzerne vom Feld der Ausplünderung verwies. Von jetzt auf sofort wurde Russland wieder zum Feind, propagandistisch geschürte Russophobie wurde wieder en vogue. Die Politclowns änderten über Nacht ihre Sprache von „friedlich“ auf „kriegstüchtig“. Sie sind halt nur die Hofnarren des Imperiums.

Die imperialistische Expansion des US-geführten Westens nach Osteuropa war so lange nicht möglich, wie die Sowjetunion das nicht zuließ, die vielbeschworene Abschreckung wirkte nicht von West Richtung Ost, sondern vom Osten aus Richtung Westen. Sieht man die Geschehnisse so, gibt es keine Hoffnung mehr auf eine neuerliche, rein europäische Friedensordnung; denn auch Osteuropa und Russland werden heute als Spielfeld oder mögliches Spielfeld des unersättlich nach Expansion strebenden Imperiums der Apokalypse betrachtet. Wer im Wege steht und/oder sich der Ausbeutung verweigert, wird beiseite geräumt oder gleich ganz zerstört. Das Imperium der Apokalypse kennt kein Pardon und keine Moral. In der Ukraine ist gerade zu besichtigen, wie die „kriegstüchtige“ Bevölkerung eines ganzen Landes auf den Schlachtfeldern der imperialistischen Expansionsgelüste verhackstückt wird. In Gaza wird ein ganzes Volk ermordet.

Frieden kann es erst geben, wenn alle Imperien, vorrangig aber das westliche Imperium der Apokalypse, zerstört worden sind. Es muß also realistischerweise nicht um die Gründung einer neuen europäischen Friedensbewegung gehen, sondern um einen globalen Antiimperialismus und um die Verwirklichung einer multipolaren Weltordnung, in der die Staaten dieses Planeten gleichberechtigt miteinander verkehren, mit dem Völkerrecht wieder das „regelbasierte“ Willkürrecht der westlichen Weltdiktatur ersetzen und niemandem mehr erlauben, sich zum Imperium zu erheben. Vor allem geht es jetzt darum, die Staaten des Nichtwestens zu unterstützen, die das bereits begriffen haben und sich nicht mehr dem Imperium der Apokalypse unterwerfen. Das sollten wir auch tun, indem wir fordern:

Die Waffen nieder

Raus aus der NATO – kein EU-Militärbündnis

Keine neuen Raketen und Marschflugkörper in Europa

Keine Waffen liefern wohin auch immer

Das Völkerrecht stärken

Rassismus

  Rassistisch ist nicht die Benennung beispielsweise einer Apotheke als Mohrenapotheke, Rassismus bezeichnet ein gesellschaftliches Verhältn...